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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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im Taj Mahal Hotel waren, oder Mrs D’Silva, deren Sohn einen Bürojob bei Hindustan Lever besaß, hatten angedeutet, dass Eddie, anders als ihre Musterknaben, ein Bummler, Gammler und ein Tagedieb war. Denen hatte sie klipp und klar gesagt, dass ihr Eddie nicht den Ehrgeiz habe, ein gewöhnlicher Arbeitsesel und Mietsklave zu werden. Er sei für Besseres geschaffen. Er sei begabt. Er sei ein Künstler. Sie hatten hämisch gekichert; nicht offen, aber sie wusste, was sie dachten.
    Jeder konnte sehen, dass er aus einer höheren Kaste, einer Land besitzenden katholischen Familie kam, die in früheren Zeiten den portugiesischen Gouverneuren nahegestanden hatte. Ein Blick genügte, und man sah den Unterschied. Abstammung und Gene ließen sich nun einmal nicht verleugnen. Ja, es genügte eigentlich, ihre Kinder sprechen zu hören. Zwischen Pietas und Eddies Englisch und dem der anderen in den Chawls bestand ein himmelweiter Unterschied. Die beiden hatten es nicht nötig, in jeden zweiten Satz ein „no men“ oder „ya men“ einzustreuen, ebenso wenig sich mit Wortkrücken wie „you know“ oder „like“ zu behelfen, um überhaupt die zweite Hälfte eines Gedankens zu erreichen. Wenn Pieta etwas sagte, war es immer klipp und klar. Und Eddie, nun, der konnte jeden, aber wirklich jeden, zu absolut allem beschwatzen. Es war nicht die Häme der Nachbarinnen, die Violet zu schaffen machte. Damit wurde sie fertig. Die Frage war: Würde ihr Sohn sie jemals stolz machen? Er mochte im Augenblick einen Job haben, aber sie bezweifelte, dass er ihn lange behalten würde. Was, wenn Eddie sich wirklich nur für Rock-’n’-Roll interessierte? Aber was sie noch mehr umtrieb als seine Obsession für diese grauenerregende Musik, war dieses Anglo-Mädchen, nach dem er so verrückt war, diese Belle von den Railway Quarters, der Eisenbahnersiedlung.
    Anglos. Weder Fisch noch Fleisch. Weder Briten noch Inder. Bloß so eine khichri , ein Mischmasch und ein Kuddelmuddel. Violet nahm Eddie gegenüber kein Blatt vor den Mund. Halbehalbe, und kein Mensch wusste, welche Hälfte was war und wo die Hälften herkamen. Halb B und halb L: Belle. Kam sich Gott weiß wie toll vor mit ihrer hellen Haut und ihrem blütenreinen Teint. Aber darauf fiel keiner rein. Eine Hälfte der Vorfahren des Mädchens mochten weiß gewesen sein, aber die andere Hälfte waren nicht einfach Inder: Wer wusste schon, zu welch niederer Kaste Belles Urgroßmutter gehört hatte! Sie war eine Hexe, diese Belle. Sie hatte ihn mit schwarzer Magie verhext. Die Coutinhos waren anständige, gottesfürchtige Leute. Wenn nötig, würde Violet Pater Agnello aufsuchen und ihn bitten, an ihrem Sohn einen Exorzismus vorzunehmen.

    Wann immer er an Belle dachte, musste Eddie den Kopf schütteln. Man wusste nie, was sie als Nächstes aushecken würde. Ein paar Tage zuvor hatten sie auf einer Hochzeit gespielt; nichts Besonderes, nur die übliche katholische Untere-Mittelschicht-Fete, auf der man sich schick zu geben versuchte.
    â€žRunter von der Box, Belle.“ Belle bedachte Eddie mit einem koketten Blick, rührte sich aber nicht von der Stelle. „Ich muss sie verrücken. Sie steht falsch, und die Ausrichtung stimmt auch nicht.“
    â€žVon hier aus sieht die Ausrichtung perfekt aus.“ Belle schien sich endgültig festgesetzt zu haben.
    Eddie hob sie von der riesigen Box und stellte sie brüsk ab. Belle lächelte und flüsterte: „Ich wollte nur, dass du mich berührst.“
    Das war Belle in Reinkultur. Er mochte sie. Manchmal war er sich sicher, dass er sie mehr liebte als alles andere. Seine Mutter sagte, es sei bloße Schwärmerei, Vernarrtheit, das würde sich bald geben. Und überhaupt, der Klassenunterschied! Eddie wusste, was das bedeutete: Belle stand gesellschaftlich weit, unendlich weit unter den Coutinhos.
    Egal, ob Belle da war oder nicht, Eddie war scharf auf sie. Manchmal hatte er das Gefühl, ohne sie sterben zu müssen. Umgekehrt hatte er den Verdacht, dass Belle ohne ihn ganz gut klarkommen würde. Er war sich absolut sicher, dass sie Wochen, ja vielleicht Monate und Jahre ohne ihn leben könnte. Und dennoch klebte sie, wenn sie zusammen waren, ständig wie eine Klette an ihm. Wenn sie nicht gerade wie wild knutschten und fummelten, als ginge die Welt in exakt neunzig Sekunden unter, musste sie

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