Die Statisten - Roman
ihm das lockige Haar zerstrubbeln, ihn am Ohrläppchen zupfen oder ihm einen Kuss auf den Nacken geben. Wenn er am Schlagzeug übte oder einen Song mit ihr probte, lieà sie garantiert die Noten fallen und bückte sich beim Aufheben dann so gekonnt, dass er garantiert einen guten Einblick in ihren Ausschnitt bekam.
âBelle, hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel Zeit uns noch bleibt, bevor das Brautpaar eintrudelt? Keine fünf Minuten. Wenn du mir schon beim Aufbauen nicht helfen willst, wäre es zu viel verlangt, von meinen Haaren wegzubleiben?â
âWäre es.â Belle war mal wieder widerspenstig. âIch würde gern die Laus in deinen Haaren sein. Ich wäre gern der Kamm, den du in der Hintertasche stecken hast und jede halbe Stunde zückst, um deine Elvis-Tolle nachzuplustern.â Sie folgte ihm über die ganze Bühne, während er Stecker in Steckdosen steckte und die Mikroständer zurechtrückte. âDie eklige grüne Pomade, die du dir ins Haar schmierst! Oder noch besser, ganz einfach dein Haar selbst!â
âBelle, würdest du endlich aufhören, mir auf die Nerven zu gehen?â
âNerven. Die Nerven wären sogar noch besser. Lass mich deine Nerven sein! Ich werde unter deiner Haut sein und alles spüren, was du spürst!â
âIch könnte ja einfach mal die Hand fünf Minuten lang in kochendes Wasser halten. Wär das nicht sensationell?â
Im Hochzeitssaal entstand Unruhe. Die herumsitzenden, gähnenden, gelangweilten Gäste scharrten mit den FüÃen und standen auf. Das frisch vermählte Paar kam die Treppe herauf. Die übrigen Bandra Bombshells waren noch immer dabei, ihre Instrumente zu stimmen.
âHitze macht mir nichts ausâ, sang Belle leise und packte Eddies Hand. âHeià macht mich nur das Fleisch. Doch wenn ich es massiere, Mann, das Fleisch, oh, dann lebt es auf und bohrt sich durch das Laken!â
Eddie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, obwohl ihm wie immer unbehaglich zumute war, wenn Belle anfing, anstöÃig zu werden. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Schwester Pieta je so reden würde. Oder sonst jemand bei ihm zu Hause. Er war sich ziemlich sicher, dass seine Mutter, die sich durchaus einiges von ihm bieten lieÃ, und selbst seine GroÃmutter ihn aufgefordert hätten, das Haus zu verlassen, wenn er je solche Reden geführt hätte. Wenn er und seine Freunde unter sich waren, brachten sie selten einen Satz ohne Zuhilfenahme von Wörtern wie âfuckâ, âcuntâ, âballsâ und âbuggerâ zu Ende, aber das waren Kraftausdrücke ohne eigentliche, wörtliche Bedeutung. Gelegentlich redeten sie richtigen Blödsinn, puren Schweinkram. Aber ScheiÃe Mann, sie waren Männer! Es wurde von ihnen erwartet, dass sie so redeten. Und in dem Moment, in dem ein Mädchen oder eine ihrer Mütter sich näherte oder zufällig vorbeiging, schalteten sie augenblicklich auf eine entschärfte Version des Englischen.
Belle und ihr Vater hingegen schienen keine Tabus zu kennen, wenn es ums Sprechen ging. Sie redeten offen über Dinge, die die meisten Bewohner der katholischen Etagen der CWD -Chawls, sofern sie nicht unter Alkoholeinfluss standen, zum Erröten gebracht hätten. Vielleicht hatte seine Mutter doch nicht ganz unrecht damit, dass Belle und ihre Leute nicht direkt â wie sollte er es formulieren? â, nicht direkt zur Creme der Gesellschaft gehörten.
Jetzt wurde Eddie sauer. âWann wirst du endlich erwachsen, Belle, und benimmst dich wie ein Profi? Wenn du dich nicht am Riemen reiÃt, ich schwörâs dir, dann schmeià ich dich raus und besorg uns jemand Neuen! Geh an dein Mikro und hör auf mit dem Schwachsinn!â
Ein Mann in einem bordeauxroten Anzug, mit sorgfältig über den kahlen Schädel gekämmten, schütteren Haaren, betrat eilig den Saal und kündigte an: âMeine Damen und Herren. Jungen und Mädchen. HeiÃen wir Philomena und Errol willkommen! Ich bitte um einen donnernden Applaus!â
Eddie und seine Bombshells überprüften noch ein letztes Mal ihre Erscheinung im spiegelnden Spannreifen der Basstrommel, fuhren sich mit dem Kamm durch das Haar, stopften ihre Hemden in die Hosen, zupften ihre Jacken zurecht und nahmen ihre Positionen ein. Das Outfit der Bandra Bombshells hatte Eddie höchstpersönlich
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