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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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wankte durch einen Fuselnebel, der ihn von jeder anderen sinnlichen Wahrnehmung ausschloss.
    Mitunter verwandelte sich der Geruch in eine steinerne Glocke. Er konnte sie unheilvoll dröhnen und ihm sagen hören, dass diese Fuselbenommenheit seine Zukunft und seine Bestimmung war und er bis zu seinem letzten Stündlein in Aunties Kneipe festsitzen würde und Sippy, seinen Kindern und deren Kindeskindern dieses pappsüße Zeug servieren und deren Geschichten von Seitensprung und Untreue anhören würde. Alle seine Träume von Hollywood und davon, Elvis als die größte musikalische Sensation der zwei Hemisphären abzulösen, würden Nacht für Nacht die Kehlen dieser Ewigbetrunkenen hinuntergespült werden. Die indischen Markenwhiskys rochen eine Spur besser, aber nicht viel. Sie hatten nur den einzigen Zweck, einen Mann in der kürzestmöglichen Zeit umzuhauen. Sie waren purer Alkohol, ein reiner Kick, und das war’s.
    Eddie versuchte nicht einmal mehr, Aunties Gäste oder auch Auntie selbst zu verstehen. Die eine Minute war Sippy ungehalten, streitsüchtig und aggressiv, und die nächste war er zerknirscht, vernünftig und legte sein Innerstes bloß. Wie hatte Mrs Fernandes nur den Moment erkannt, in dem es in Sippy klick gemacht hatte und seine gewalttätige Phase vorüber war?
    Krishnamurthy und Chatterjee, die beiden Haus-Marxisten, in deren Augen jeder andere Gast ein Reaktionär oder ein Bourgeois war, enthielten sich jeder Kommunikation, außer wenn ihre Gläser nachgefüllt werden mussten. Die übrigen Gäste jedoch verloren jegliches Schamgefühl, sobald sie einen über den Durst getrunken hatten. Dann erzählten sie die intimsten und peinlichsten Dinge aus ihrem Leben: von einem dreizehnjährigen Sohn, der Papas Kollektion von Schmuggelpornos entdeckt hatte und jetzt rund um die Uhr onanierte; von den Demütigungen, die sie am Arbeitsplatz einstecken mussten, von ihren hinterhältigen Freunden, ihrer knickrigen und bigotten angeheirateten Verwandtschaft, sie erzählten vom Sex mit ihren Ehefrauen, Geliebten, Schwägerinnen, Prostituierten und manchmal sogar mit Eunuchen und anderen Männern. Dabei ging es immer um sie selbst, ihre Probleme und ihre Arbeitgeber, über die sie lästerten. Wenn sie wollte, dachte Eddie, könnte Auntie – oder ebenso er selbst – Sippy und die übrigen Gäste, die ihren Drang, ihre intimsten Geheimnisse auszuplaudern, so wenig im Zaum halten konnten, ohne Weiteres erpressen. Zu anderen Gelegenheiten, oder bereits im nächsten Moment, verfielen dieselben Gäste in ein feindseliges Schweigen, das sich sogar noch bedrohlicher anfühlte als ihre mörderische Aggressivität.
    Doch Sippy war noch nicht fertig.
    â€žSie hatten mir einen sauberen Schnitt empfohlen. Alles andere führt zu nichts, hatten Sie gesagt. Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sagte, dass ich Sheila vor vier Tagen zum letzten Mal gesehen habe?“
    â€žSheila?“ Mrs Fernandes wiederholte den Namen in einem Ton, als habe Sippy sich möglicherweise versprochen.
    â€žWieso? Glaubten Sie etwa, ich würde meine Frau verlassen?“
    â€žIch weiß nicht. Aber wie lange, glauben Sie, werden Sie imstande sein, ohne Sheila zu leben?“
    â€žWenn ein Mann jemanden aufgibt, den er innig, ja wie verrückt liebt, dann zerbricht er nicht. Etwas in ihm stirbt. Und bleibt tot, während der Rest von ihm weitermacht. Das ist alles.“
    â€žIst mit Ihnen auch wirklich alles in Ordnung, Sippy?“
    â€žWarum, weil ich schon fasle, bevor ich überhaupt betrunken bin? Mach schon, Eddie. Bring mir die Flasche.“
    Eines, sagte sich Eddie, während er die Flasche Peter Scot vor Kishen Sippy auf den winzigen Tisch stellte, musste er noch lernen: die Ohren auf Durchzug zu stellen, wenn die Leute solchen Schrott von sich gaben. Nicht, dass es zu Hause in dieser Hinsicht viel besser gewesen wäre. Seit Jahren meckerte seine Mutter an ihm rum, weil er keine feste Arbeit hatte.
    So weit er zurückdenken konnte, hatte sie es sich zum Prinzip gemacht, die Schotten ihres Gesichts dicht zu halten, sodass man nur Leere sah ohne auch nur den kleinsten Ritz. Alles war verschlossen und verriegelt. Niemand, nicht einmal ihre alten Nachbarn, hatte die leiseste Ahnung, was hinter diesem hochmütigen Äußeren vor sich ging. Eddie aber hatte sein ganzes Leben in denselben vier

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