Die Statisten - Roman
entdeckten Patriotismus zu unterstreichen, indem er im Namen den Kampfruf âJai Hindâ anklingen lieÃ. Was auch immer der Grund war, die Gruppe hieà von da an Jea Hind Band. Jea Lal war seiner Zeit weit voraus. In null Komma nichts hatte er in Jaipur eine Dependance gegründet. Und 1955 hielt er in Delhi Einzug.
Heute ist Jea Lals musikalisches Unternehmen lediglich ein Segment der vielfältigen wirtschaftlichen Interessen der Familie in Indien und anderen Teilen der Welt. Anders als ihr Vater haben die drei Söhne wenig bis gar nichts mit der praktischen Arbeit der Brass Bands zu tun. Diese werden von professionellen Bandleadern betreut und gelten in der Branche noch immer als die bedeutendsten und finanziell erfolgreichsten des Subkontinents.
Die Mumtaz Band in Varanasi ist ein schönes Gegenbeispiel. Ihr musikalisches Erbe reicht sieben Generationen zurück, wenn sie auch bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Umzugskapelle mit traditionellen indischen Instrumenten war. Ihre Familiengeschichte ist faszinierend. Sie waren allesamt Hindus aus der Bhangi- oder Sweeper-Kaste, die um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, als sie von ihrem Dorf nach Varanasi umsiedelten, zum Islam konvertiert waren.
Die vielleicht beste Möglichkeit, das Leben eines Bandvala zu verstehen, besteht darin, jemanden kennenzulernen, der in der Branche aktiv ist. Deepak Kasare hatte Glück. Sein Vater â Chandrakant oder âMeister Chanduâ, wie er respektvoll genannt wurde â fuhr zweigleisig. Einerseits arbeitete er für die Bombay Municipality, wie sie damals noch hieÃ, als StraÃenschildermaler. Und nebenbei spielte er Trompete in einer Brass Band. Meister Chandu war ein Mann mit Weitblick. Obwohl er und seine Dalit-Familie kaum als wohlhabend zu bezeichnen waren, schickte er Deepak auf eine englischsprachige Schule. Nach dem Abschluss stand Deepak kurz davor, ein Architekturstudium zu beginnen, als das Schicksal und sein Vater zuschlugen. Meister Chandu hatte erfahren, dass die Polizeidirektion von Bombay Nachwuchs für ihre Kapelle suchte. Deepak hatte bis dahin noch keinen einzigen Ton auf der Trompete seines Vaters geblasen. Jetzt wurde er dazu verdonnert, drei Tage hintereinander acht Stunden am Tag den Song âTu shair hai, main teri shairiâ (âDu bist der Dichter, ich bin dein Gedichtâ) aus dem Film âSaajanâ einzuüben.
Man stelle sich besser nicht vor, wie Deepaks Trompetenspiel klang, als er seinen ersten Test in der Mumbai Police Academy ablegte, aber der Leiter der Polizeikapelle, Gerome Rodrigues, war beeindruckt, vielleicht aber auch nur nachsichtig genug, um ihn und neunzehn weitere Bewerber zu verpflichten. Rodrigues hatte in London Musik studiert und war erst kürzlich aus dem Orchester der indischen Marine ausgeschieden. Er hatte unzählige Auszeichnungen gewonnen und viele Platten aufgenommen. Trotz seines hohen Rangs nahm er es auf sich, die Grünschnäbel persönlich zu unterrichten.
Bei der Polizei zu sein, bedeutete, dass man zuerst und vor allem Polizist war, und erst an zweiter Stelle Polizeimusiker. Am Ende der Probezeit wählte der Lehrer dreizehn Anwärter aus, die die Ausbildung fortsetzen durften. Mittlerweile beherrschte Deepak Kasare die westliche Notenschrift aus dem Effeff, und man forderte ihn auf, das Waldhorn zu erlernen.
Meister Chandu ist als Schildermaler bei der Bombay Municipality mittlerweile in den Ruhestand gegangen, während Deepak sein Auskommen als Polizist hat. Aber sobald die Hochzeitssaison anbricht, arbeiten Vater und Sohn gemeinsam in derselben vielköpfigen Hochzeitscombo. Für die Band bedeutet die Hochzeitssaison dreiÃig Tage Arbeit im Sommer und weitere dreiÃig Tage im Winter. Früher verdienten Meister Chandu und die übrigen Bandmitglieder pro Auftritt eine Supari, die metaphorische Betelnuss, die für eine Gage von hundert Rupien stand. Von dieser üppigen Summe wurden jeweils zehn Rupien für die Instandhaltung der Instrumente beiseitegelegt, während die verbleibenden neunzig für ein Festessen in einem iranischen Restaurant draufgingen.
Heutzutage bekommt die Kapelle zehntausend für einen zweistündigen Auftritt. Und Deepak hat in der Branche einen guten Namen. Er hat sogar für einen Song in einem Film mit dem inzwischen verstorbenen Dev Anand gespielt und wird zu allen möglichen besonderen Anlässen engagiert. Wie er es selbst
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