Die Statisten - Roman
formuliert, leistet ihm das Waldhorn von der Geburt bis zum Tod, und was sich dazwischen abspielt, gute Dienste.
Begräbnismusik ist eine durch und durch katholische Tradition. Das Kuriose dabei ist die Tatsache, dass die Stücke, die zu diesen feierlichen Anlässen gespielt werden, grundsätzlich nicht einstudiert werden. Die Musiker treten einfach an und spielen drauflos. Es ist nicht ganz klar, ob diese Sitte daher rührt, dass die Toten es ohnehin nicht mitbekommen, wenn die Musik schief klingt. Es ist allerdings nach wie vor Gegenstand hitziger Diskussionen, ob Brass-Band-Musik im Allgemeinen geprobt oder ungeprobt besser klingt. Oder ob das aufs Gleiche hinausläuft.
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Es war Abend, und die Sonne hatte es ungehörig eilig, sich dorthin zu verziehen, wohin sie sich für die Nacht eben zu verziehen pflegt. In Danda machten sich die Fischer zum Ausfahren bereit. Die Flut kam mit einem stürmischen Wind, und die dhau -artigen Boote tanzten und schaukelten, während ihre bunten Fahnen wie verrückt flatterten. Einer nach dem anderen kletterten die Fischer in ihre Boote und setzten die Segel. Eddie war froh, dass er es geschäftlich nur mit GroÃstadtmenschen zu tun hatte und dass diese Fischer nicht zu Aunties Kundschaft gehörten. Ihre Bizepse, Oberschenkel- und Wadenmuskeln glänzten im letzten Licht des Tages wie welliges, poliertes Messing. Eddie hätte nie den Mut aufgebracht, sie zu fragen, wer das gefaltete Stoffdreieck, ihr einziges Kleidungsstück, erfunden hatte. Es bedeckte zwar ihre Schamteile, lieà ihre straffen GesäÃbacken aber teilweise entblöÃt.
Trugen Fischer überall auf der Welt nichts anderes als karierte Halstücher?, fragte er sich, während er auf die Ansammlung von etwa hundert Hütten jenseits der Palmen zuging, die Danda Village genannt wurde. Er war mindestens schon ein Dutzend Mal hier gewesen, aber noch immer verlief er sich. Die Hütten sahen alle gleich aus. Er hätte es zwar nicht lauthals beschworen, aber er war davon überzeugt, dass das Dorf eine Art Kommune darstellte, in der man alles teilte und es keine Rolle spielte, wo man sich nachts schlafen legte. Er war allerdings zu prüde, um den Gedanken logisch zu Ende zu führen: Teilten die Dörfler also auch ihre Ehefrauen und -männer miteinander?
Zu guter Letzt fand er jedoch immer die richtige Hütte, weil selbst der Erdboden in deren näherer Umgebung nach Fusel stank. Alle paar Monate führte die Polizei dort eine Razzia durch und kippte ein, zwei Blechfässer um, obwohl zweifellos kein Schwarzbrenner mit gesundem Menschenverstand riskiert hätte, ohne die ausdrückliche Genehmigung der örtlichen Polizeidienststelle und ohne mit den Beamten vereinbarte Gewinnbeteiligung in das Geschäft einzusteigen. Wo die Brennerei war, wusste Eddie nicht, aber die Hütte diente gleichzeitig als Verkaufsstelle für GroÃabnehmer und als Kneipe, wobei die dazugehörige Auntie in diesem Falle ein verwitterter und verkrüppelter Fischer war, der wegen einer viele Jahre zurückliegenden, fast tödlich ausgegangenen Auseinandersetzung die Ware nicht mehr ausfahren konnte. Er war ein mürrischer, bärbeiÃiger Mann, auf einem Auge blind und mit einem Holzbein, der anders als Mrs Fernandes immer ein Glas Schnaps in der Hand hatte. Wie er es fertigbrachte, zu jeder Tageszeit halbbetrunken oder besser halbnüchtern zu sein, blieb für Eddie ein Rätsel.
âZweihundertfünfzig. Korrekt?â, fragte Eddie.
Der Alte zählte das Geld zwei Mal nach, bevor er seinem Gehilfen zunickte, der daraufhin anfing, die zwei Autoschläuche zu füllen, die Eddie mitgebracht hatte. Sobald die Schläuche verschlossen waren, verdrehte Eddie sie jeweils zu einer Acht, streifte sie sich über Kopf und Oberkörper, bis sie ihm wie Rettungsringe um die Taille hingen, und befestigte sie dort mit einem Seil. Zähneknirschend zog er die schwarze Taft-Burka mit dem vergitterten Sichtfenster über und schwor sich wieder einmal, demnächst lieber seinen Job bei Auntie aufzugeben, als irgendwann in diesem muffigen, weichen, schwarzen Sarg zu ersticken.
Er hatte eigentlich vorgehabt, am Bahnhof Khar aus dem Bus auszusteigen und den Nahverkehrszug nach Parel zu nehmen, aber es kam anders. Die bloÃe Vorstellung, in das Damenabteil einzusteigen, lieà ihn vor Angst erstarren. Normalerweise hatte man zu den Hauptverkehrszeiten nichts zu
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