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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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Schulter seines Sitznachbarn zu liegen. Der Mann schob ihn mehrmals weg, und Eddie hielt sich jedes Mal einige Sekunden aufrecht, nur um dann erneut auf das Schlüsselbein des Mannes zurückzusinken.
    Er schreckte aus seinem Schlummer hoch, als ihm jemand mit einem Stock auf die Schulter klopfte. Was war so dringend, dass man ihn unbedingt wecken musste?
    â€žSchön, schön, was haben wir denn da? Fünf, sechs, sieben, acht, neun. Das scheint heute ein Rekord zu werden. Neun Frauen in Burkas auf dem Oberdeck. Wenn das kein Fang ist!“ Der Polizist lachte theatralisch. „Jede Wette, dass jede Einzelne von Ihnen in anderen Umständen ist. Kommen Sie, meine Damen, raus aus dem Bus. Wir steigen aus und holen die Hebamme, damit sie gleich alle in einem Aufwasch entbinden kann!“
    Wovon redete der Witzbold? Als er eingestiegen war, war er die einzige Frau, ob muslimisch oder sonstiger Couleur, auf dem Oberdeck gewesen. Er sah sich um. Verdammt, der Kerl hatte recht! Sie hatten sich überall breitgemacht. Ihre verschleierten Köpfe schaukelten wie Bojen auf und ab, dass ihm mulmig wurde, als sei er auf See. Sie mussten eingestiegen sein, nachdem er eingeschlafen war.
    Eddie fand sich nicht zurecht. Zu seiner Linken war eine Fläche von stinkendem Wasser, reglos wie eine Platte aus grünschwarzem Marmor, und weiter vorn, auf derselben Seite, erhob sich ein hohes Kreuz. Er erkannte den Turm der St. Michael’s Church in Mahim wieder. Seine Mutter hatte ihn an neun aufeinanderfolgenden Wochen jeweils am Mittwoch zur Andacht dorthin gebracht und eine Miniaturnachbildung eines Buches gekauft, die sie in der Hoffnung, er würde seine Abschlussprüfung schaffen, der Heiligen Jungfrau zu Füßen gelegt hatte.
    Allmählich braute sich unter den Frauen auf dem Oberdeck ein Aufruhr zusammen, sie murmelten und murrten.
    â€ž Mumtaz khaala , sagen Sie etwas!“ Eddie wusste erst nicht, zu wem die Frau sprach, bis er begriff, dass er gemeint war. „Sie sind doch schlagfertig, holen Sie uns aus diesem Schlamassel raus!“ Eddie stellte sich taub. „Haben Sie Ihre Zunge verschluckt?“
    â€žStehen Sie auf, oder soll ich Sie wie Bräute runtertragen?“ Der Polizist grinste sie dreckig an, und die männlichen Passagiere kicherten.
    â€žWir sind alle gläubige Musliminnen. Warum wollen Sie, dass wir aussteigen?“, fragte eine der mutigeren Frauen.
    â€žIch bin nicht von gestern, und Sie ebenso wenig. Also hören Sie mit dem Theater auf! Wir werden schnell genug herausfinden, wie viele von Ihnen mit etwas anderem als Babys schwanger gehen.“
    â€žEher sterben wir, als dass wir uns von einem Mann anrühren lassen!“
    â€žKlappe halten und aussteigen! Sub-Inspector Mrs Joshi freut sich schon darauf, Sie auszuziehen.“
    Die Frauen standen murrend auf und bewegten sich in Richtung Treppe, aber Eddie war an seinen Sitz genagelt wie der liebe Heiland an sein Kreuz. Mittlerweile war er hellwach, und es war ihm endlich aufgegangen, dass das Spiel aus war. Ihm stand ein Jahr oder mehr im Knast bevor. Wie sollte er seiner Mutter noch in die Augen sehen? Die Frage war überflüssig. Wenn er ins Gefängnis käme, wäre er für sie gestorben. Schlicht und einfach gestorben.
    Warum nur, warum hatte er nicht auf Mrs Fernandes gehört, als sie ihn vor dem Kontrollposten der Prohibitionsbehörde in Mahim gewarnt und ihm verboten hatte, auf dem Rückweg von den Schwarzbrennern in den Vororten den Bus zu nehmen? Schuld waren nur diese verflixten Frauen. Was mussten sie auch unbedingt in denselben Bus einsteigen wie er? Und dann auch nicht zwei oder drei, sondern gleich acht von der Sorte? Er hatte die Risiken durchgespielt. Wenn er allein im Bus gewesen wäre, hätte der Polizist ihn – oder vielmehr sie – nicht einmal bemerkt. Hey, es war schließlich kein Verbrechen, eine Burka zu tragen. Aber acht Frauen, neun einschließlich ihm, allesamt in Burkas, alle im selben Bus, und als sei das noch nicht verdächtig genug, alle auf dem Oberdeck – was war da anderes zu erwarten? Er hätte sich ebenso gut ein Schild um den Hals hängen können, auf dem stand, dass er Schmuggelware bei sich trug, und ob ein Polizist nicht bitte, bitte so freundlich sein könnte, ihn im Laufschritt hinter Gitter zu bringen.
    â€žWarten Sie auf Ihren Gatten, Verehrteste?“, fragte der Polizist mit vor Sarkasmus triefender Stimme.

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