Die Statisten - Roman
sein Traumberuf sein, aber er hatte mittlerweile begriffen, dass er ohne Geld weder seine Band bezahlen noch Musikinstrumente kaufen konnte.
Ravan ging zum Küchenfenster und schaute hinunter. Die Cum-September-Crew marschierte gerade aus dem Gebäude. Er erinnerte sich an den Tag vor etwa einem Jahr, an dem sie zu ihrem ersten Auftritt aufgebrochen waren. Sie hatten wie Potentaten ausgesehen, wie Royals in Gala. Und er war nichts weniger als ihr Kaiser gewesen.
Ravan hatte ausgedehnte Studien in Sachen hinduistischer Hochzeitsband-Uniformen angestellt und war am Ende ein wenig enttäuscht gewesen. Er würde sich als Modeschöpfer für seine Cum September Band betätigen müssen. Wenn es um Mode ging, hatte er schnell begriffen, reichte es nicht, anders zu sein; man musste aus meilenweiter Entfernung auffallen.
Die Hosen der Männer waren feuerwehrrot und ihre Nehru-Jacken von schrillem Blau. Ãber die Jacke schmiegte sich eine aubergine-violette Weste. Aus festem Drillich geschneidert, war sie von einem dichten Gewirr kompliziertester Schnörkel aus Gummigoldfäden durchzogen, die bei der geringsten Lichtveränderung schimmerten und glitzerten. Von den Schultern standen gut vier Fingerbreit Epauletten mit demselben Muster ab. Als Oberbefehlshaber der Band hatte Ravan sich, zusätzlich zu den fünf Sternen auf seinen Epauletten und den goldenen Quasten, eine ebenfalls goldene, dicke, geflochtene Schnur gegönnt, die von seiner linken Schulter hinunterlief und in einer Trillerpfeife endete, die in der Tasche seiner Nehru-Jacke steckte. Ab und an zog er sie hervor, um seine Soldaten zur Ordnung zu rufen.
Erst nachdem diese Designer-Klamotten geschneidert waren, kam Ravan der Gedanke, dass die Hosen, im Vergleich zu den Jacketts, recht dürftig aussahen. Als der wahre Künstler, der er war, machte er sich unverzüglich daran, die Sache zu korrigieren. Er lieà seitlich an die Hosen ein zwei Finger breites schwarzes Samtband annähen. Aber die Krönung des Ganzen waren die entsprechenden blauen Mützen mit dem roten Schirm. Auf dem Scheitel jeder Mütze reckte sich ein Metallfinger himmelwärts, eine stählerne Stele, die den deutschen Kaiser stolz gemacht hätte. Zwischen dieser und dem Schirm prangte in Goldbuchstaben die Inschrift: âCum September Jai Bharat Bandâ. Ãber all dem flatterten, einer Flagge gleich, drei Pfauenfedern.
Ein Jahr war vergangen, und ein GroÃteil des Glanzes der Cum September â ganz zu schweigen von den Paradiesvogelfarben ihrer Kostüme â war verblichen. Doch Ravan würde das alles ändern. Die Cum September Jai Bharat Band hatte ihr erstes Engagement auÃerhalb der Stadt erhalten. Er wollte sicherstellen â oder zumindest hoffte er, es würde ihm gelingen â, dass seine Musiker ein für allemal kapierten, wer das Sagen hatte. Er hatte ihnen befohlen, ihre Uniformen waschen zu lassen, und sie hatten allesamt pariert. Auf einem anderen Blatt stand die Tatsache, dass das Resultat der Reinigung viel zu wünschen übrig lieÃ. Kanhaiyyalals ausgebleichte Hose sah aus, als habe jemand eine Dose Babypuder darüber ausgekippt. Und der metallene Pickelturm auf Kambles Mütze war um 180 Grad nach unten verbogen. Aber alles in allem war klar: Die Mitglieder der Cum September hatten begriffen, dass ihr Schicksal dabei war, sich grundlegend zu verändern.
âPfui, pfui! Igitt! Was für eine dreckige Karre! Der Gestank ist ja unerträglich!â Kamble kickte eine hartnäckige Bananenschale beiseite, nur um auf eine Monatsbinde in Wochenbettformat zu treten, die trotz ihrer trockenen Kruste einen kleinen Schwall rötlicher Flüssigkeit von sich gab. Er wollte abspringen, aber der Laster setzte sich mit einem Ruck in Bewegung.
âStopp, stopp! Ich will in diesem grauenhaften Laster nicht gesehen werden!â
âSchau einfach nach drauÃen, dann weiÃt du nicht mehr, wo du bistâ, empfahl ihm Kanhaiyyalal. âDann könntest du ebenso gut in Kaiser Jahangirs Nishat Bagh oder Shalimar Gardens sein.â
Kamble stieà ein weiteres âIiih!â aus. Ravan machte ein paar verfaulte Zwiebeln aus, einige weià gelutschte, weitgehend kahle Mangokerne, an denen allerdings noch ein paar Haare flatterten, einen braunen Leinenschuh, der sowohl seinen Schnürsenkel als auch seinen Begleiter verloren hatte. Jedes dieser Dinge hatte seinen spezifischen Geruch,
Weitere Kostenlose Bücher