Die Statisten - Roman
der sich bereits vor dem Heck des Lasters gebildet hatte. Selbst die Mitglieder der traditionellen Musiktruppe wollten sehen, wer diese Neuankömmlinge waren.
Jetzt kam ein imposanter älterer Mann heraus, und alle traten ehrfürchtig beiseite. Er war offensichtlich der Vater des Mannes in der weiÃen Khadi-Hose, der Ravan engagiert hatte. Jemand brachte einen Stuhl für Mr Patil Senior. Er wollte die Musik schon unterbrechen, aber dann saà er einfach da und lauschte der Band aus der GroÃstadt mit geschlossenen Augen. Diener rannten zwischen dem Shamiyana und dem weitläufigen zweistöckigen Gebäude hin und her. Ravan musterte des Haus. Es war ein altes traditionelles Herrenhaus mit freiliegenden Balken und Holzpfeilern und gut dreiÃig Zentimeter dicken Wänden. Es war erst kürzlich frisch getüncht worden. Ravan hatte noch nie einen Palast gesehen, aber er war sich sicher, dass gekrönte Häupter das Divali-Fest auch nicht anders feierten. Bäume, Fenster, Türen und Balkone waren mit glitzernden Lichtergirlanden geschmückt, und das ganze Anwesen war in einen himmlischen Garten verwandelt worden. An sämtlichen ZufahrtsstraÃen waren von gelben und orangefarbenen Ringelblumen bedeckte Triumphbogen aufgestellt. Dicke Blütengirlanden ergossen sich wie Technicolor-Wasserfälle über die Wände des Herrenhauses. Und riesige Vasen mit mehr Blumen darin, als sich auf dem Crawford- und dem Byculla-Markt zusammengenommen finden lieÃen, säumten die Gänge des Hochzeitszeltes, in dem gut tausend Gäste Platz finden konnten.
Im ersten und zweiten Stock waren die Wände von unvergitterten schmalen Fenstern durchbrochen, die zwar mannshoch waren, aber nicht viel Licht hineinlieÃen. Auf der niedrigen Brüstung der Terrasse saà eine Affenfamilie und aà Bananen. Einer von ihnen schmiss eine Bananenschale nach Ravan. Aus dem Inneren des Hauses ertönte perlendes Gelächter. Er lieà den Blick über die dunklen Ãffnungen der Fenster gleiten, konnte jedoch niemand ausmachen.
Der Laster war unter einem prachtvollen Mangobaum geparkt, dessen Blätter eine leichte Brise auffingen und raschelten wie ein Ensemble leiser Tamburine. Ein flaches erdfarbenes Objekt traf Ravan an der Brust und fiel auf das Xylophon. Wieder dieses Lachen. Er schaute sich nach dem verflixten Affen um, aber die langschwänzige Bande war nirgendwo zu sehen. Er dachte zunächst, es sei ein Prallholz aus einem gilli-danda -Spiel, aber es war nichts dergleichen. Es war eine lange reife Tamarinde, deren dünne harte Schale beim Zusammenstoà mit dem Musikinstrument aufgeplatzt war.
Im zweiten Stock bewegte sich ein Schatten, und Ravan sah flüchtig eine junge Frau, die gerade dabei war, eine zweite Tamarinde nach ihm zu werfen. Er spielte weiter, warf der Frau aber einen finsteren Blick zu. Sie sah ihn unschuldig an, und Ravan war sich nicht mehr sicher, ob sie tatsächlich die Ãbeltäterin war. Als sie die Hand an den Mund führte, in die Tamarinde biss und dann weiterging, war sie das Inbild tugendhafter Unschuld. Ravan wandte sich wieder Navare zu. Wenn der es darauf anlegte, war sein ehemaliger Lehrer absolut erstaunlich. In seinen Händen schmolz das Saxophon zu flüssigem Klang, dessen Reinheit überirdisch war. Die zweite Tamarindenschote traf Ravan am Kopf. Am Fenster im zweiten Stock war niemand zu sehen.
Der Patriarch hob die Hand, und die Musik verebbte. âMacht euch frisch und esst etwas, bevor die Zeremonie beginnt. Jemand soll sie ins Haus führen und sich um sie kümmern.â
Ravan lächelte. Er wusste, sie hatten einen denkwürdigen Auftritt hingelegt und einen Treffer gelandet, und das auch noch auf der prächtigsten Hochzeit, die ihm je untergekommen war.
Nichts, absolut nichts wurde dem Zufall überlassen. Jede Aufgabe war klar umrissen und zugeteilt worden. Alle Autorität ging von einer einzigen Quelle aus, und der Patriarch schien sie selbst dann auszuüben, wenn er gar nicht anwesend war. Er war seit Längerem verschwunden, aber alle wussten, dass er sie im Auge behielt. Niemand kam, um zu überprüfen, ob das Holz für das heilige Feuer trocken war und das silberne attar - und Rosenwasserset und das dazugehörige Tablett tatsächlich poliert waren. Alles stand an der vorgeschriebenen Stelle und war in perfektem Betriebszustand. Ravan war stolz darauf, Teil dieser gut geölten
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