Die Statisten - Roman
hat dir Ãbles gewünscht, so ist das schon seit deiner Geburt. Die Pocken sollen ihn holen!â
âLauf!â, schrie Ravan zu Kamble. âLadet schon mal die Instrumente ein; ich bin in einer Minute unten. Maa, wenn du dich nicht beeilst, geh ich!â
âIch werde die Nazar ganz bestimmt nicht einfach runterleiern, also halt den Mund und sitz still. Und wenn ich fertig bin, berühr die FüÃe deines Vaters. Bevor du auf eine so lange Reise gehst, solltest du besser seinen Segen einholen.â
Das war für Ravan und Shankar-rao, seinen Vater, nun etwas ganz Neues. Es war ihnen beiden furchtbar peinlich. Shankar-rao lag wie gewohnt, den Rücken dem Rest der Welt zugekehrt, auf dem Bett und nahm jetzt eine noch embryonalere Stellung ein.
âWas lungert ihr hier noch rum?â Ravan versuchte, seine Verlegenheit zu überspielen. Drei Viertel der Cum September Band machten sich davon.
Es herrschte Stille, bis die Senfsamen anfingen, wie eine Serie von Divali-Knallfröschen zu knattern. âJetzt geh und bitte deinen Vater um seinen Segen.â Parvati war unnachgiebig.
Ravan verneigte sich und fummelte an seines Vaters FüÃen herum. Shankar-raos Augen waren nach wie vor geschlossen, und seine FüÃe hatten sich noch weiter zurückgezogen.
âMister.â Als gute Hindu-Ehefrau, die sie war, hatte sich Parvati-bai von jeher gehütet, den Namen ihres Gatten auszusprechen. Früher, ob vor AuÃenstehenden oder auch nur Ravan gegenüber, hatte sie von ihrem Mann nur auf Marathi in der dritten Person gesprochen. Vor ein paar Monaten hatte Parvati-bais Wortschatz indes eine plötzliche Wendung zum Englischen vollzogen. Neuerdings verwendete sie regelmäÃig Wörter wie âtensionâ, âstopâ, âfreshâ, âdangerâ und âround-and-roundâ. Und wie andere groÃstädtische Marathi sprechende Frauen auch, hatte sie angefangen, ihren Mann mit Mister anzureden. âHallo, Mister, wachen Sie auf! Ihr Sohn Ravan wünscht, gesegnet zu werden.â
Shankar-rao hatte es mittlerweile geschafft, eine vollkommene Kugelgestalt einzunehmen. Ravan hob den Kopf und erwog kurz einen raschen Abgang, doch als er den strengen Blick seiner Mutter sah, bückte er sich wieder.
âHaben Sie gehört, was ich gesagt habe? Ihr Sohn begibt sich auf eine lange Reise. Segnen Sie ihn!â
Shankar-rao öffnete ein Auge und nuschelte: âAshtaputra saubhagyavati bhava!â und klappte das Auge wieder zu. Das war ein alter Sanskritspruch, mit dem die Ãlteren traditionell die Braut segneten. Ravan hätte sich damit begnügt, solange er nur verschwinden konnte, aber seine Mutter war entsetzt.
âHaben Sie eine Ahnung, was Sie da sagen? Dürfte ich Sie daran erinnern, dass sie keine Tochter, sondern einen Sohn haben?â
âMaa, ich kann nicht länger warten!â
âOh doch, du kannst. Und du wirst. Mister, erteilen Sie ihm einen richtigen Segen!â
Vater und Sohn begriffen, dass sie nicht davonkommen würden, bevor die Sache erledigt wäre. Shankar-rao runzelte machtvoll die Stirn. Er unternahm eine übermenschliche Anstrengung, sich an irgendeinen passenden Sanskritspruch zu erinnern. Sein Gesicht leuchtete auf. âAnnadaatah sukhi bhava!â
Der Spruch â âNahrungsspender, Glück sei dir beschieden!â â passte zwar besser ans Ende einer Mahlzeit, aber Parvati-bai war willens, ihrem Gatten etwas Spielraum zu gewähren. Sie legte den Segen dahingehend aus, dass Ravan als der Ernährer der Familie gewürdigt wurde. Sie selbst betete inbrünstig zu ihren Göttern, sie möchten ihren Sohn seinem Vater so unähnlich machen, wie es überhaupt vorstellbar war. Möge er acht, zehn, zwölf Stunden am Tag arbeiten. Und möge er, wenn nötig, auch noch sonntags arbeiten. Auf die Idee, Gott darum zu bitten, Ravan nach ihr, die regelmäÃig vierzehn Stunden am Tag arbeitete, geraten zu lassen, kam sie allerdings nicht.
Sie war erleichtert, dass Ravan sich endlich bereit erklärt hatte, beide Jobs zu behalten. Mit diesem baja business, wie sie Ravans Band bezeichnete, war ja kein Geld zu machen, auch wenn ihr Sohn sich gern einbildete, der ganz groÃe Erfolg warte direkt um die Ecke. Sie missgönnte ihm seine Musik nicht. Sie wollte nur sicher sein, dass er auf eigenen FüÃen stand â und es auch so blieb. Taxifahren mochte nicht
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