Die Statisten - Roman
das nicht in deinen Schädel? Für unsere Beförderung ist gesorgt.â Ravan warf einen bedeutungsschweren Blick in Navares Richtung. Am besten den Laden dichtmachen, hatte er vor Kurzem noch gesagt, ich bin weg. Doch jetzt standen er und seine Kumpels in CWD -Chawl Nr. 17 und warteten geduldig, dass Ravan sich schick machte.
âIch weiÃ.â Ebenso wie die Mitglieder seiner Band, staunte Parvati-bai über die wundersame Tatsache, dass extra ein Fahrzeug kam, um Ravan und seine Kollegen abzuholen. âAber wo du doch so eigen bist mit deinen Sachen und du sie immer aufs I-Tüpfelchen gebügelt haben willst â¦â
âWas soll denn der Chauffeur denken? Es sind nicht die Bosse, die man beeindrucken muss, sondern ihre Lakaien. Man muss gleich von Anfang an zeigen, wer man ist. Und wo sollen wir uns dort auch umziehen? Vor allen Leuten? Schalt doch dein Gehirn ein, Maa!â
Da hatte Ravan wirklich nicht unrecht. Es war unglaublich, dachte Parvati-bai, wie sehr ihr Sohn gereift, wie weltklug er geworden war! Wieso hatte sie das nicht schon früher gemerkt?
âVielleicht hast du recht, aber sitz ordentlich im Wagen, damit du dir nicht alles verknitterst. Und lehn dich nicht gegen dreckige Wände, wenn ihr auf einen Tee haltmacht!â
âWir müssen uns einen gröÃeren Wandspiegel kaufen, Maa. Ich muss mich ganz sehen können, wenn ich elegant erscheinen soll.â Ravan hakte den Spiegel von der Wand, hielt ihn sich erst vor das eine, dann das andere Hosenbein. AnschlieÃend nahm er ihn in die rechte Hand und hielt ihn schräg hinter sich, um sich zu vergewissern, dass seine Rückseite ebenso ordentlich aussah wie die Vorderseite.
Parvati beugte sich hinunter, zog einen der Blechkoffer unter dem Bett ihres Mannes hervor und öffnete ihn.
âRavan, nimm einen Pulli mit. Abends wird es dort kalt.â Sie hielt einen rot-grün gestreiften Pullover in die Höhe, den er in seiner Schulzeit getragen hatte.
âIch fahre nach Karjat, Maa, nicht nach London. Und dieser Pullover ist mir drei Nummern zu klein.â
âDa sind Hügel, vielleicht sogar Berge. Und du bleibst über Nacht.â Sie stopfte den Pullover in die Tasche, die Ravan mitnehmen würde.
âPasst auf ihn auf, Jungs! Es ist das erste Mal, dass er Bombay verlässt.â
âMachen Sie sich nur keine Sorgen, Mrs Pawarâ, beruhigte sie Kamble. âIch bin oft durch Karjat gefahren, früher, wenn ich nach Puna fuhr, um in Theaterstücken aufzutreten.â
Er hätte gern noch erheblich mehr über seine ausgedehnten Reisen einschlieÃlich seiner Fahrten nach Puna beigesteuert, aber Ravan schnitt ihm das Wort ab. âWer ist der Leiter der Band, Maa? Ich werde auf sie aufpassen, nicht umgekehrt!â
Was sollte man nur mit so einer Mutter machen? Ravan war kurz davor, endgültig zu verzweifeln. Navare, Kamble und Kanhaiyyalal waren gut zwanzig, wenn nicht dreiÃig Jahre älter als er, und sie nannte sie âJungsâ und bat sie, auf ihn aufzupassen!
Parvati schnaubte. âDu hast ja deine Milchzähne noch gar nicht verloren!â
Es war hoffnungslos, mit seiner Mutter zu diskutieren. Sie würde nie begreifen, dass sie â sollten seine Angestellten ihn respektieren â erst einmal selbst lernen musste, ihn mit Ehrerbietung zu behandeln.
âIch bin dann wegâ, sagte Ravan brüsk. Er hatte nicht vor, sich noch weiter vor seinen Leuten beleidigen zu lassen.
âWarte noch einen Augenblick! Ich hol erst die thali für die Nazar.â
âWenn du früher an den Nazar-Quatsch gedacht hättest, anstatt mir Vorträge über Karjat zu halten, wären wir längst damit fertig. Ich bin sicher, das Auto wartet schon, und wenn wir nicht sofort gehen, fährt es ohne uns wieder weg.â
Wie aufs Stichwort tönte eine dieser Mega-Hupen, die die Polizei unlängst verboten hatte, durch den CWD -Chawl, aber Ravan wusste, wenn es um die Abwehr des bösen Blicks ging, lieà seine Mutter nicht mit sich reden. So lange er zurückdenken konnte, hatte sie das Ritual durchgeführt. Einmal die Woche, bisweilen auch zwei- oder dreimal, nahm sie eine Metallplatte mit Salz, Senfsamen und getrockneten roten Chilis in die Hände, schwenkte sie kreisförmig um Ravans Kopf, streute anschlieÃend die Gewürze auf glühende Kohlen, und wenn sie laut knisterten und knackten, murmelte sie: âJemand
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