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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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eine Ein-Mann-Aufführung von „Ekach Pyala“, dem Stück, in dem er in der Rolle der leidgeprüften, vorbildlichen Ehefrau Sindhu sein Debüt gegeben hatte. In der einen Minute war er der feinfühlige, aber schwache Protagonist Sudhakar, in der nächsten der nihilistische Schurke Taliram, der zu bedenken gab, ein weiteres Gläschen könne Sudhakar doch unmöglich schaden, und dann war er Sindhu, die, operettenhaft singend, ihre letzten Schmuckstücke verpfändete, um den Alkoholverbrauch ihres Ehemanns weiter finanzieren zu können.
    Um Kamble hatte sich Publikum versammelt. Ein paar Leute verfolgten die ganze Vorstellung, andere kamen und gingen. Manche kicherten, andere wurden rührselig, während sie der Tragödie von Sindhu und Schnaps beiwohnten, leerten ihre Gläser und weinten.
    Ravan spielte mit dem Gedanken, ebenfalls zur Flasche zu greifen, doch Alkohol hatte eine unglückselige Wirkung auf ihn. Gewöhnlich schlief er ein, bevor er mit seinem ersten Gläschen fertig war. Das konnte er nicht riskieren. Das wichtigste Engagement des Abends hatte er noch vor sich, und er brauchte unbedingt einen klaren Kopf und funktionstüchtige Glieder. Warum gab er Kamble nicht einfach einen Schubs, dass er über die Terrassenbrüstung kippte und alle sich endlich schlafen legen konnten? Wenn man bedachte, was der sich an diesem Nachmittag schon geleistet hatte, hätte man das als einen längst überfälligen Unfall und einen wahren Segen werten können. Doch Ravan war sich sicher, dass der Mann zum Glück keine Ahnung hatte, wie nah er davor gestanden war, ermordet zu werden.

    Umakant Kamble sah nicht etwa schlecht, nur alles mehrfach. Wolken, Himmel, Bräutigam, die Autos auf der Straße, dieser Schurke Ravan, alles erschien ihm in siebenfacher Ausführung. Während dieser nicht enden wollenden Hochzeitsfeier hatte Kamble Mrs Patil in ihrem roten Benares-Sari für Navare gehalten und hatte ihr dauernd auf die Schulter getippt und auf sie eingequasselt.
    Die frische Landluft von Karjat hatte offenbar einen Adrenalinstoß in Navares Lungen ausgelöst. Er schaffte es, dem Saxophon Töne zu entlocken, die schlechterdings unmöglich zu sein schienen. Doch als er „Zara thehero“ anstimmte, verwandelte sich das Blasinstrument in eine Saturn V und hob senkrecht ab. Es schoss in den Himmel, erreichte zweifache Schallgeschwindigkeit, schlug einen dreifachen Salto, verlor beängstigend an Höhe, blieb ein paar qualvolle Sekunden dort hängen, um schließlich, zu jedermanns Entsetzen, vollends im Ur-Nichts zu verschwinden. Als Jung und Alt, selbst jene, die keinerlei musikalisches Gehör besaßen, bereits alle Hoffnung aufgegeben und über die Vermessenheit des Menschen und den Fall, der auf den Hochmut folgt, zu sinnen begonnen hatten, schoss Navare mit Mach 3 zu ihnen zurück, und dann gab es kein Halten mehr.
    Ravan wünschte sich nachträglich, der Flugkörper wäre nie wieder auf dem Radarschirm aufgetaucht, denn Kamble konnte jetzt vor Bewunderung für seinen Freund, Führer und Über-Ich nicht mehr an sich halten. Er schlang Mrs Patil den Arm um die Schulter und flüsterte ihr zu: „Du bist der reine Wahnsinn! Wie schaffst du es nur, diese Tröte so jubeln zu lassen, als sei es eine Frau, die unter dir liegt?“
    Mrs Patil war mittlerweile in Tränen aufgelöst, und der Gehstock ihres Gatten schwebte wie ein improvisierter Fahnenmast über Kambles Kopf. Ravan befürchtete schon, der Mann würde Kamble gleich einen über den Schädel geben. Er tat es nicht. Er schraubte den Stockknauf ab und zog – Ravan traute seinen Augen nicht – einen veritablen blanken Degen hervor, mit dem er nach Kambles Kehle stach.
    Kamble lächelte selig. „Kumpel, Ravan, endlich lässt du mich die Flöte spielen! Gleich wirst du es sehen! Sag Mr Patil, dass Navare und ich eine jugalbandi spielen werden, wie es noch nie eine gegeben hat!“ Er griff nach der Klinge des Degens. „Iiiih, warum gibst du mir eine nasse Flöte?“ Er zog die Hand zurück und wischte sie sich an der Hose ab. Jetzt prangte auf seinem rechten Hosenbein ein karminroter Abdruck wie auf dem Deckel von Dr. Cheiros „Handlesekunst für Jedermann“.
    Ravan flehte Mr Patil an, Kamble zu vergeben. Er sagte, es liege offenbar ein ernstes Missverständnis vor. Kamble habe keineswegs die erhabene

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