Die Statisten - Roman
Metallplatten waren zwar noch etwas krumm, aber selbst das normalerweise blecherne D hatte sich gefügt und klang, wie es sich gehörte.
Ravan sah absolut todschick aus. Irgendwie hatte er seine Sachen am Brunnen gereinigt und dann einen der Diener dafür bezahlt, dass er sie ihm trockenbügelte. Er würde sein Genie erstrahlen lassen und Mr Patils Respekt gewinnen. Er würde die wunderbarste Musik spielen und die Tochter bezaubern. Da war sie. Sita. In all ihrer verschleierten bräutlichen Herrlichkeit. Vater und Bruder hielten sie von beiden Seiten an den Armen, als könnte sie einen Fluchtversuch unternehmen. Das Ende des schweren, golddurchwirkten, grünen Seidensaris bedeckte ihren Kopf wie eine Mönchskapuze. Gehalten wurde es durch Perlenketten und Blumengirlanden, die ihr Gesicht noch mehr verschleierten. Ravan spürte, wie er weiche Knie bekam. Seine Phantasie begann, ihm Streiche zu spielen. Sitas Leibchen war aufgeknöpft, und der rosa Spitzen- BH hob und senkte sich vor seinen Augen. Er verspürte den Drang, den Verschluss an ihrem Rücken mit den Zähnen aufzuhaken. Die beiden Patils platzierten Sita gegenüber dem Bräutigam auf dem Boden. Ein Priester in brandneuer weiÃer dhoti und mit nacktem Oberkörper entzündete das heilige Feuer. Der Bruch im Zeitgefüge verheilte, als die Flammen aufloderten, und Ravan spürte, wie das erotische Intermezzo in seinem Inneren in sich zusammenklappte.
Die Zeremonie endete, und das Ehepaar stand auf, um die FüÃe der Eltern zu berühren. Die Cum September Band spielte âJanam janam ka saath haiâ. Wie die meisten Bollywood-Filmsongs passte er hervorragend zum Anlass. Wir werden, versprach er, in diesem und jedem folgenden Leben zusammen sein. Sita hob die Hand, um den Pallu, der ihren Kopf bedeckte, zurechtzuzupfen, und teilte dabei für einen Moment die Perlen- und Jasminblütenschnüre, die vor ihrem Gesicht hingen, und warf Ravan einen sittsamen Blick zu. Nicht nur ihre Augen, glaubte Ravan felsenfest, sondern auch ihre Herzen, Seelen und Schicksale vereinigten sich in diesem Moment. Welcher Ravan, fragte er sich da, würde Sita einen Wunsch abschlagen? Er stimmte den Song an: âDuniya mein, logon ko â¦â Er knallte in die Hochzeitsgesellschaft wie eine Kanonenkugel. Keine für eine Hindu-Hochzeit in Maharashtra angeheuerte Brass Band hätte es je gewagt, eine Gesangsnummer zu bringen â und dazu noch ein derartiges Nebelhornstück von R.D. Burman!
Die schiere Lautstärke von Ravans Stimme lieà Vater, Sohn und Tochter und alle hinter ihnen abrupt erstarren. Patil Senior hob die Augenbrauen. Er wusste nicht so genau, wie diese Bombay-Bands funktionierten. Aber Ravan schmetterte den Song mit so mitreiÃender Leidenschaft, dass er es für angeraten hielt, keinen Kommentar abzugeben. Zwar stürzte der Sohn nach vorn, um Ravans Possen Einhalt zu gebieten, aber der Beifall, mit dem der Song begrüÃt wurde, lieà ihn innehalten. Das Publikum rastete aus. Ravans Stimme war ebenso rau und schotterig wie die R.D. Burmans und die von dessen Vorbild für diesen Song, Louis Armstrong. Aber das war noch nicht alles. Ravan spielte das Xylophon und drei weitere Instrumente und er sang und tanzte gleichzeitig. Die Kinder schlossen sich ihm an, und die Erwachsenen ebenfalls. âNoch einmal, noch einmal!â, schrien sie alle, als Ravan fertig war. Mr Patil Senior sagte: âSpäter vielleicht.â
Wollten die denn diese Nacht überhaupt nicht schlafen, all die auswärtigen männlichen Gäste, die auf der Terrasse herumstanden oder auf Matratzen lagen? Sie spielten Karten, schwatzten und soffen. Zu trinken hatten sie um halb sieben angefangen, eine Stunde, bevor das Abendessen aufgetragen wurde, und jetzt war Mitternacht vorbei, und sie waren noch immer dabei. Die meisten waren sturzbetrunken und brachten kaum mehr ein klares Wort heraus. Mr Patils Schnaps war umsonst und seine Freigebigkeit, trotz der Prohibition, grenzenlos. Sie schloss auch die Mitglieder der Band mit ein â ein so ungewöhnliches Vorkommnis, dass Kanhaiyyalal, der seinen Fuselkonsum normalerweise so geschickt zu tarnen wusste, dass sein Atem nicht das Geringste verriet, sich heute Abend schamlos abfüllte. Navare teilte seine Zeit gleichmäÃig ein zwischen Tanken, Rauchen und Sich-lustig-die-Seele-aus-dem-Leib-Husten. Kamble hielt ein Glas in der Hand und lieferte
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