Die Statisten - Roman
âUnd wenn das immer noch nicht reichtâ, hier versagte Eddies Stimme fast, und er konnte kaum weiterreden, âwird er mir das Genick brechen, und die Polizei wird meine Leiche im Mahim Creek finden.â
Pieta gab den Kampf auf und wischte sich wortlos die Tränen ab, die ihr über die Wangen rannen. âWeià Mama Bescheid?â, fragte sie endlich.
âIch dachte, es wär dir lieber, wenn ichâs ihr nicht erzähle.â
âWie könntest du ihr das verschweigen? Wo soll das Geld denn deiner Meinung nach herkommen?â
âIch will sie nicht beunruhigen. Sie kriegt einen Anfall.â
âWürdest du das nicht auch, wenn dein Sohn siebzehntausend Rupien Schulden machen würde?â
âDa ich keine Söhne produziert habe, während du grad nicht hingeguckt hast, kann ich dir auch nicht sagen, was ich tun würde. Ihm die Gurgel durchschneiden vermutlich.â Das konnte sich Eddie nicht verkneifen. âAber könnten wir vielleicht beim Thema bleiben? Warum ersparen wir es Mama nicht einfach, sich tierisch aufzuregen, und du gibst mir stattdessen das Geld?â
âIch kauf mir nicht einmal ein Lotterielos, weil ich die eine Rupie für Notfälle sparen will. Und du verspielst siebzehntausend, von denen dir nicht ein einziger Paisa gehört?â
âNa, dann hast du ja einen Notgroschen.â
âDas war nur bildlich gesprochen, damit du kapierst, wie sparsam ich mit Geld umgehe!â
Seltsam, wie jedes Gespräch, das er mit seiner Schwester führte, aus dem Gleis geriet! Er hatte genug.
âWärst du sehr enttäuscht, wenn du erfahren würdest, dass ich doch nicht in Schwierigkeiten stecke?â
Jetzt war sie verdutzt und verwirrt und dann wurde sie wütend, sehr wütend. âMensch, Eddie, wirst du denn niemals erwachsen?â
Verdammt, er hatte seine Karten nicht richtig ausgespielt. Immer lieà er sich von seinen eigenen Blödsinnsgeschichten mitreiÃen. Manchmal war er überzeugt, niemals Feinde zu benötigen, da konnte er immer auf sich selbst zählen.
âDas werde ich.â Er klang zerknirscht. âWenn du mir das Geld gibst.â
âSiebzehntausend?â
âFünftausend, das ist alles.â
âWofür willst du es?â
âIch gehe nach Amerika.â
âAmerika? Was willst du denn dort?â
âEine Rockband gründen. Und zum Film gehen. Wir werden âRock Around the Clock 2â machen.â
Warum hatte er bloà die Klappe aufgemacht? Nie konnte er etwas für sich behalten, am allerwenigsten ein Geheimnis. Jetzt würde sie ihn nur noch verspotten und entmutigen.
âDu bildest dir wirklich ein, die Bandra Bombshells werden in Amerika Erfolg haben, wenn du es nicht mal hier schaffst? Und auÃerdem kennst du dort niemand!â
Es war beinahe unheimlich, wie Pieta es schaffte, Eddie selbst mit einer simplen Frage im Innersten zu treffen. Lag es an der Wortwahl, fragte er sich, oder am Ton? Oder an dem, was unausgesprochen blieb? Oder an der drückenden Last der vielen Jahre, die sie gemeinsam verlebt hatten? Er konnte sich â zumindest, wenn er in einer solchen Gemütsverfassung war â beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie zu einer harmlosen Bemerkung fähig wäre. Sie war eine Hexe, sie konnte alles mit einem Fluch belegen. Es ging sie einen Dreck an, dass die Bombshells ohne eine bescheidene Unterstützung vonseiten seiner Mutter nicht überlebt hätten. Aber diese Frechheit würde er ihr nicht durchgehen lassen.
âWas weiÃt denn du schon von den Bombshells? Wir bekommen mehr Anfragen, als wir bewältigen können! AuÃerdem werde ich kaum so blöd sein, meine amerikanische Gruppe âThe Bandra Bombshellsâ zu nennen! Den Namen meiner neuen Rockband werde ich erst verraten, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Und wenn du wissen willst, warum wir hier nicht zum gröÃten Namen der ganzen Musikindustrie geworden sind, dann schau dich nur um!â Er hatte das Gefühl, genau das richtige Quantum Verachtung in seine Stimme gelegt zu haben. âWas erwartest du â das ist Indien! Das Einzige, was die hier hören wollen, sind Songs aus diesen erbärmlichen Hindi-Filmen! In Amerika wird es anders sein. Wir sprechen dieselbe Musik, nur darauf kommtâs an. Die Beatles, die Doors, Jefferson Airplane â jeder, der wirklich Talent hat, kann es dort
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