Die Staufer und ihre Zeit
Nachfolge zu erringen. Auf einer Fürstenversammlung in Frankfurt am Main lässt er sich einstimmig zum römisch-deutschen König wählen.
Dabei zeigt sich schon sein ausgeprägter Instinkt zur historischen Stilisierung: Sogleich eilt Friedrich auf einem Schiff den Main und weiter den Rhein hinab und reitet von der Pfalz Sinzig bei Andernach nach Aachen. Dort besteigt er fünf Tage nach seiner Wahl den Thron Karls des Großen in der Pfalzkapelle. Vom Erzbischof von Köln lässt er sich, wie es der Ritus vorsieht, zum König salben.
Römisch-deutscher König, das ist in jenen Märztagen 1152 kaum mehr als ein Titel, ein Zeichen verblasster Größe. Alte Herzogtümer, die als Stützen Karls des Großen oder der ottonischen Herrscher fungiert hatten, sind zerfallen. Neue Fürstentümer konkurrieren mit Grafschaften und Städten. Es ist der Wettlauf der Vielstaaterei. Der Schwabe Friedrich I. verfügt weder über eine Hauptstadt noch über einen zentralen Verwaltungsapparat. Um die Macht des Königtums zu mehren, muss er vor allem seine Persönlichkeit einsetzen.
Sein Aussehen hilft ihm dabei. Der mittelgroße blonde junge Mann mit leicht gewelltem Haar hat einen trainierten Körper mit kräftigen Schultern, eine stattliche Erscheinung.
Er lächelt viel, zeigt demonstrative Freundlichkeit, das macht ihn gewinnend. Friedrich verkörpert das Lebensgefühl einer jungen Generation, die Lieder singt vom männlichen Kampf und sehnsüchtiger Liebe. Der junge ritterliche Herrscher verbreitet stählerne Romantik.
Will er sein Reich zur bestimmenden Kraft in Europa machen, muss er sich zum Kaiser erhöhen, gekrönt in Rom. Emsig verhandelt er mit der Kurie – und gewinnt die Zustimmung des Papstes. So setzt sich der künftige Imperator im Oktober 1154 mit 1800 Rittern nach Rom in Bewegung. Es ist der erste von insgesamt sechs Italienzügen Friedrichs. Die wirtschaftlich aufblühenden Städte Norditaliens, die sich dem Reich mehr und mehr entziehen, will Barbarossa seiner Macht unterwerfen. Sie sollen regelmäßig Zölle und Abgaben zahlen.
Nach der Rückkehr aus Rom baut der Herrscher in Deutschland seine Hausmacht aus. Er treibt in Italien eine regelmäßige Reichssteuer ein und stärkt die Geldwirtschaft. Friedrich reformiert das Militär und wirbt verstärkt Söldner an. Er schafft in Thüringen, Franken und Schwaben königliche Territorien und Reichsländer, in denen er Reichsministeriale als Verwalter einsetzt. Barbarossa gründet Städte wie Göppingen und Chemnitz und Reichspfalzen in Hagenau, Kaiserslautern und Gelnhausen.
Beim zielstrebigen Ausbau seiner Macht steht dem Kaiser spätestens ab Mai 1156 ein ehrgeiziger Berater als Kanzler des Reiches zur Seite: Rainald von Dassel. Der Sohn eines niedersächsischen Grafen, kräftig, blond, mittelgroß, geboren etwa 1120, Absolvent der Domschule zu Hildesheim, hat in Frankreich studiert. Im Unterschied zu Barbarossa beherrscht er Latein und ist mit staatsphilosophischen Schriften der Römer Cicero und Seneca bekannt. Der Kaiser ernennt den früheren Hildesheimer Dompropst 1159 zum Erzbischof von
Köln. Der gebildete Rhetoriker Dassel beherrscht die Kunst propagandistischer Zuspitzung. So wird sein eigentliches Feld die Politik. Dassel will die Macht des Reiches und des Kaisers stärken, indem er der Herrschaft wieder jene religiöse Weihe verleiht, die in früheren Generationen selbstverständlich war.
Aber die Zeiten haben sich geändert, eine neue Sicht der Dinge ist gefragt. Der Begriff des »Sacrum Imperium«, des heiligen Reiches, der sich später zum »Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation« wandelt, wird zur Schlüsselformel der von Dassel geleiteten Reichskanzlei. Diese Machtzentrale ist noch keine Institution mit fester Adresse, sondern eine mobile Arbeitsgruppe von Notaren, die in häufig wechselnder Besetzung mit dem Kaiser durch die Lande zieht.
Die Reichskanzlei beurkundet Klöstern und Kirchen Güter und Besitzungen. Sie gewährt Bergwerkskonzessionen, regelt Zollfragen und proklamiert die freie Schifffahrt auf dem Main. Alle diese Maßnahmen dienen vor allem dazu, das Kaisertum zu festigen und das Reichsgebiet gegen äußere Einflüsse, nicht zuletzt gegen einen Zugriff des Papstes, zu sichern. Papst Hadrian IV. sieht in Dassel denn auch bald einen »perversen Menschen«. Der wiederum treibt mit geradezu dämonischer Energie den Kaiser zum Kampf gegen die Kurie.
Als Dassel auf dem Hoftag in Besançon 1157 durch einen Übersetzungskniff den
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