Die Staufer und ihre Zeit
politischen Optionen – und wechselte bei Bedarf die Fronten.
Wie im Jahr 1201. Damals befand sich Lübeck gerade unter der Herrschaft Adolfs III. Als der Graf im Kampf mit dem dänischen König deutlich an Einfluss verlor, schickte eine Lübecker Bürgerversammlung kurzerhand Gesandte los, um die Dänen zu bitten, die Stadtherrschaft zu übernehmen: Von ihnen erhoffte sich Lübeck mehr Sicherheit für den Ostseehandel. In dieser Situation taucht in den Urkunden erstmals
das Wort »Ratsherr« auf – Hinweis für die Rolle eines Stadtrats. Im damaligen deutschen Raum sind solche »Ratsherren« nur für Utrecht noch etwas eher belegt.
Lübeck hatte also sehr früh begonnen, Institutionen für eine eigenständige Politik aufzubauen. Die Ratsherren wurden von einer Bürgerversammlung gewählt. Sie übten ihre Arbeit ehrenamtlich aus, bekamen aber einen Ausgleich in Form von Geld, Fisch, Fleisch oder Gewürzen – und nach den Sitzungen wurde ihnen edler Wein aus dem Ratskeller kredenzt. Zu wichtigen Fragen rief der Stadtrat Bürgerversammlungen ein, die die Ratsentscheidungen bestätigen oder ablehnen konnten. Mit der Zeit wurden Bürgermeister an die Spitze des Rats gesetzt, die im Ernstfall Flotte und Heer kommandierten.
Der Stadtrat verfolgte seine Interessen mit allen Mitteln – und scheute auch keine listigen Manöver: Im Mai 1226 ließ sich Lübeck Barbarossas altes Stadtprivileg von 1188 neu bestätigen. Dazu wurde die Originalurkunde vermutlich vernichtet und dann eine Fälschung erstellt. Die Lübecker dichteten einfach ein paar Privilegien hinzu, die ihnen Barbarossa gar nicht verliehen hatte – die ihnen nun aber höchstoffiziell bestätigt wurden.
1226 wurde damit zum Schicksalsjahr Lübecks im Kampf um seine Selbständigkeit. Denn schon im Juni gelang den Unterhändlern der Stadt ein weiterer diplomatischer Coup: Von Kaiser Friedrich II. ergatterten sie das »Reichsfreiheitsprivileg«. Darin wird Lübeck versprochen, »für alle Zeiten« frei zu sein und »niemals« mehr einem anderen als dem Kaiser untertan zu sein. Damit bekam die Stadt den gleichen Status wie ein Landesfürst. »Auf das strengste« verbot Friedrich die Stadtherrschaft und Rechtsprechung Dritter.
So konnte Lübeck die inzwischen als drückend empfundene Herrschaft des Dänenkönigs abschütteln; die Dänen
wurden 1227 endgültig in der Schlacht von Bornhöved geschlagen. Lübecks Stellung schien gefestigter denn je.
Doch trotz aller Privilegien blieb die Stadt auch danach auf taktische Schutzbündnisse mit regionalen Herrschern angewiesen. Und 1251 und 1276, am Ende der Stauferzeit, wüteten erneut verheerende Brände. Die Stadt tat, was sie seit ihrer Gründung so erfolgreich praktiziert hatte: Sie raffte sich auf, suchte Verbesserungen, etwa durch den Übergang zum Backsteinbau, und stieg schließlich zur führenden Macht in der Hanse auf.
KAISER AUS DER KLOAKE
Nachrichtenübermittlung im Stauferreich war mühsam und langwierig.
Von Jochen Bölsche
Im Sommer des Jahres 1285 taucht der Fremde in Wetzlar auf, »ein würdiger alter Mann in vornehmem Gewand, ein wenig müde vom langen Ritt, in sich gekehrt und karg mit Worten«, wie der Stadtchronist vermerkt. Noch etwas fällt den Bürgern auf: Der Neuankömmling, begleitet von einem »Hofstaat« und von »allerlei Volk«, hat »in den Augen etwas, als träumte er einen schönen Traum«.
Der vornehme Alte stellt sich mit den Worten vor: »Ego sum rex Fridericus.« Und tatsächlich glauben die Wetz-larer, dass kein anderer als Friedrich II. ihrer Stadt die Ehre erweist – obgleich der Staufer-Kaiser bereits 35 Jahre zuvor, am 13. Dezember 1250, das Zeitliche gesegnet hat und seine Knochen im Dom zu Palermo ruhen. Doch die Kunde ist bis Wetzlar anscheinend nicht vorgedrungen.
In Köln dagegen war der Kaiser-Bluff gut ein Jahr zuvor aufgeflogen: Die Bürger tunkten den Hochstapler in eine Kloake und jagten ihn davon. Kurz darauf aber schon, in Neuss, vertrauen die Stadtväter dem Pseudokaiser: Ein Jahr lang darf er bei ihnen in der Stadt Hof halten, Urkunden mit gefälschtem Siegel ausstellen und Fürsten wie Bischöfe empfangen.
Der Betrüger versteht sich nicht nur darauf, den weitverbreiteten Volksaberglauben an eine Rückkehr des legendären Kaisers auszunutzen. Zugute kommt ihm die enorme Weitläufigkeit
des Reichs, die eine rasche Übermittlung von Neuigkeiten bis in den letzten Winkel nicht eben erleichtert.
Die ȟberdimensionale, kaum beherrschbare Vereinigung des
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