Die Staufer und ihre Zeit
häufig auch ein Schwert, um sich gegen räuberisches Gesindel wehren zu können. Die Chroniken berichten von etlichen Boten, die im Dienst schwer verletzt, beraubt oder gar ermordet werden. Manche Strecken sind so gefährlich, dass etwa der Hamburger Rat Läufer und reisende Kaufleute auf dem Weg nach Lübeck durch bewaffnete Reiter begleiten lässt. Kaufleute und Boten reisen oft in Gruppen, mitunter werden zwei Kuriere auf den Weg geschickt, um sicherzugehen, dass wenigstens einer durchkommt.
Von »größter Bedeutung«» für die alpenüberschreitende Kommunikation im Stauferreich aber sind, wie der deutschitalienische Mittelalter-Forscher Hubert Houben urteilt, die Mitglieder der »monastischen Netzwerke«, die Kloster- und die Deutschordensbrüder. Denn die bringen keineswegs nur Reliquien obskurer Herkunft in den Norden oder Nürnberger
Spielkarten nach Sizilien. Vor allem transportieren die Kuttenträger Nachrichten von Kloster zu Kloster, von Bischofssitz zu Bischofssitz.
Während die alphabetisierten Eliten im Gefolge des Papstes wie des Kaisers durch kirchliche und weltliche Kuriere wichtiges Herrschaftswissen sammeln, werden die ungebildeten Massen zum Objekt und Opfer wilder Desinformation. Besonders gut verstehen sich darauf die im 13. Jahrhundert rasch an Einfluss gewinnenden Franziskaner und die Dominikaner, die grau und schwarz gewandeten Bettelordensbrüder, eine wahre Agitationstruppe des Vatikans auch gegen die Staufer.
Der Propagandakrieg zwischen den Mönchen und den Kaisertreuen wirkt weit über den Tod Friedrichs II. hinaus. Während die kirchliche Legende den »Verderber der Geistlichkeit« in den feuerspeienden, teuflischen Ätna verbannt, lebte der letzte Staufer-Kaiser im Volksglauben weiter als schlafende Sagengestalt, die eines Tages auferstehen werde, um das Reich zu erneuern. Dabei zeigt sich, wie wirkungsmächtig die Legende ist: Nicht nur in Neuss und Wetzlar, überall im Reich tauchen Pseudokaiser auf.
Die meisten können zunächst gläubige Anhänger um sich versammeln, finden aber bald ein schlimmes Ende. Ein sizilianischer Bettler namens Giovanni de Calcaria, der dem verstorbenen Kaiser ähnelt, wird in Messina gehängt. Ein anderer, der in Esslingen Hof hält und sogar Münzen prägen lässt, endet als Ketzer ebenso auf dem Scheiterhaufen wie der falsche Kaiser vom Niederrhein. Der hieß noch nicht mal Friedrich, sondern Dietrich Holzschuh.
TEIL IV
AUFBRUCH IN NEUE ZEITEN
DAS RECHT DER IMPERATOREN
Die Universität von Bologna wurde unter den Staufern zur Kaderschmiede der neuen Jurisprudenz. Die Doctores suchten Antworten auf die großen Rechtsfragen der Zeit, berieten Könige und Kaiser.
Von Thomas Darnstädt
Die Bitte um Rechtsauskunft kam von allerhöchster Stelle. Auf einem gemeinsamen Ritt durch die oberitalienische Hügellandschaft wollte Friedrich Barbarossa von zwei Begleitern wissen: »Bin ich, von Rechts wegen, der Herr der Welt?«
Die Frage ist beinah tausend Jahre alt. Doch Juristen wie Historiker staunen bis heute darüber. Was waren das für Zeiten, da ein Kaiser sich nach der Rechtslage erkundigen musste? Wieso hatte der Mann das nötig? Und dann fragt er nicht den Papst, der ihn doch gerade erst gekrönt hat, sondern zwei Rechts-Doctores aus Bologna, mit denen er spazieren reitet. So weit kommt es noch: Juristen sagen dem mächtigsten Mann des Abendlandes, wo es langgeht. Die Welt scheint aus den Fugen.
Vielleicht war sie es ja wirklich. Jedenfalls hatte damals, in den fünfziger Jahren des 12. Jahrhunderts, Barbarossa allen Grund, Zweifel an den Grundlagen seiner Macht zu hegen. War es noch der Papst, auf den er seinen Herrschaftsanspruch stützen musste? Oder war er in Wahrheit der legitime Nachfolger der römischen Imperatoren, deren Weltreich, wenn auch schon eine Weile her, seine Fortsetzung im Heiligen Römischen Reich mit deutschen Herrschern gefunden hatte?
Was waren das für Zeiten. Grundsatzfragen, gerade jetzt, da der Schwabe Friedrich in Norditalien unterwegs war, um dort aufsässige Städte wie Mailand zur Räson zu bringen und auf diese Weise ein für alle Mal klarzustellen, wer auch hier, im rebellischen Teil des Reichs, der Herr der Welt ist.
Darum also die Frage: »Bin ich, von Rechts wegen, der Herr der Welt?« Etwa so muss der Wortlaut gewesen sein, überliefert aus alten Handschriften jener Zeit, ausgeschmückt und ausdiskutiert von Rechtshistorikern mit Weltruf, umstritten in seiner genauen Bedeutung noch in hitzigen Debatten
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