Die Staufer und ihre Zeit
»herrlichen Körper« einer Dame, dass man »ihre zarten Brüste unter dem schönen Kleid zierlich hervortreten sah, als ob es zwei Äpfel wären«.
Nachdem noch die Karolinger in eher sackartigen Gewändern aufgetreten waren, gab es allein für die aufkommende Mode, Kleider an den Körper zu binden, »einen ganzen Wortschatz des Schnürens und Einzwängens«, wie der Kölner Mediävist Joachim Bumke erläutert. Ein Hoftailleur musste ridieren (in Falten legen), fischieren (feststecken), flottieren (auszacken), franzen (falten), furrieren (unterfüttern), schraemen (abschrägen), krispen (kräuseln), verwieren (durchwirken), zerhouwen (aufschlitzen) oder undersniden (bunt zusammensetzen) können.
Immerhin, der Fortschritt von der Bekleidung zur Mode erleichterte es, Männer und Frauen zu unterscheiden. Der Trend in der Herrencouture zum schenkelstrammen Beinling aus Leder oder Stoff unter hoch geschlitzten Prachtmänteln entfaltete seine erotisierende Wirkung bei einem Ritter mehr, beim anderen weniger: »Herrje, wie schön waren seine Beine«, schwärmte Wolfram von Eschenbach im »Parzival«. Strengere Zeitgenossen kritisierten die feudale Zurschaustellung der Gliedmaßen: »Er denkt nicht daran, den Rock herunterzulassen«, wird in einem satirischen Gedicht moniert, »vorne kommen die Hosenbänder heraus und hinten sein Schamzeug, das ich nicht mit Namen nenne«.
LISTIGE MANÖVER
Lübeck steht für den Aufstieg der Städte im Mittelalter. Durch Handelsgeschick und clevere Diplomatie, auch von den Staufern gefördert, ertrotzten sich die Bürger Freiheit, Privilegien und Wohlstand.
Von Christoph Gunkel
Ausgelassen haben die Bewohner Lübecks das Fest der christlichen Heiligen Johannes und Paulus gefeiert. Nun, nach dem Trinkgelage, sind die Männer ziemlich benebelt. So erkennen sie die Gefahr viel zu spät, die in der Dunkelheit lauert, auch als ein Bote der nahe gelegenen Burg herbeieilt, um sie zu warnen.
Auf dem Fluss Trave nähert sich im Schutz der Nacht eine Kriegsflotte des Fürsten Niclot, Anführer des slawischen Stammesverbands der Obotriten. »Das Stadtvolk aber war vor Trunkenheit weder aus den Betten noch aus den Booten zu bringen«, berichtet der Chronist Helmold von Bosau. Die Angreifer umzingeln die Stadt, zünden die mit Waren beladenen Schiffe der Kaufleute an und erschlagen der Chronik zufolge mehr als 300 Bewohner. Sogar einen flüchtenden Geistlichen hätten sie »mit 1000 Wunden« durchbohrt. Nur die Lübecker Burg hält einer zweitägigen Belagerung stand.
Es ist der 26. Juni 1157, der Tag, an dem die Handelsstadt Lübeck die erste große Katastrophe ihrer noch jungen Geschichte erlebt. Erst 14 Jahre zuvor hatte Adolf II., Graf von Schauenburg und Holstein, die kaufmännische Siedlung auf einer strategisch günstigen Halbinsel zwischen den Flüssen
Trave und Wakenitz zur Stadt Lübeck erhoben. Er ließ sie mit Holzwällen schützen und legte einen Hafen an.
Doch dann rief Papst Eugen III. zum Kreuzzug gegen die Slawen im Norden und Osten des Reichs auf. Adlige sammelten ihre Truppen bereits an der Elbe, so dass Slawenfürst Niclot sich zum überraschenden Präventivschlag entschloss. Lübeck wurde zum ersten Opfer des Kreuzzuges.
Die Kaufleute und Graf Adolf lassen sich allerdings von den Verheerungen wenig beeindrucken. Schnell wird Lübeck wieder aufgebaut, der Bischof von Oldenburg reist an, um einen Altar zu weihen. Im nahe gelegenen Oldesloe entsteht ein lukratives Salzwerk. Schon bald zieht die junge Stadt an der Ostsee Händler aus anderen Städten der Region ab, besonders aus dem bis dahin dominanten Bardowick. »Der Lübecker Marktverkehr nahm täglich zu«, notiert Chronist Helmold, »und die Schiffe seiner Kaufleute vermehrten sich.«
Die Entwicklung Lübecks ist eine für die Stauferzeit typische Geschichte von Machtkämpfen, Rückschlägen und Neuanfängen. Mit viel Geduld, List und außergewöhnlicher Finanzkraft gelang es den norddeutschen Städten, sich in dem komplizierten Kräftespiel zwischen regionalen Machthabern und dem deutschen König ihre Selbständigkeit und Freiheit zu erkämpfen.
Während in Italien Städte wie Genua, Mailand oder Florenz bereits pulsierende Handelszentren waren, in denen Zehntausende Einwohner lebten, setzte diese Entwicklung auf deutschem Boden erst im 12. Jahrhundert ein. Weil die Bevölkerung drastisch wuchs, schossen nun auch hier Hunderte neue Städte aus dem Boden – ohne aber annähernd die Größe von Italiens Metropolen zu
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