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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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Geruchswirrwarr der Erde, den Duft nach Gras, Abfall und den Markierungen anderer Rüden. Hier oben gab es weit weniger Gerüche, dafür nahm seine Nase sie intensiver wahr. Daher war der Mensch ohne Geruch für Attila eine beständige Quelle der Irritation. Der geruchlose Zweibeiner hatte soeben den Frachtraum betreten und bewegte sich zielstrebig zwischen Kisten und Fässern auf eine unscheinbare braune Holzkiste zu. Attila hörte ein leises Quietschen, als er die Kiste öffnete und einige schwere Gegenstände heraus nahm. »Schinken«, roch Attila. Kurz darauf stach der Geruch leicht erhitzten Metalls in seine Nase und seine empfindlichen Hundeohren nahmen ein dünnes hohes Sirren wahr, weit außerhalb dessen, was ein Mensch hören konnte. Ein prägnanter Rhythmus, mehrfach wiederholt. Attila heulte laut auf. Seine Ohren schmerzten. Er schoss hinter seinem Pökelfass hervor und zwängte sich durch eine enge Luke in den angrenzenden Laderaum. Der geruchlose Mensch blieb zurück.
     
    * * *
     
    Die Phönix war bereits vier Monate unterwegs, als Penelope Fairfax, Erster Navigations-Offizier, eine Unstimmigkeit beim Abgleich der Schiffkoordinaten mit den Sternenkarten feststellte. Die Phönix steuerte zehn Grad außerhalb des vorberechneten Kurses. Penelope korrigierte die Navigation, machte einen Logbucheintrag und informierte Kapitän Jennings. Einige Tage später stellte Penelope fest, dass das Schiff erneut vom Kurs abgekommen war. Niemand von der Besatzung – alle hatten bereits mehrere Reisen im Æther hinter sich – hatte jemals etwas Ähnliches erlebt. Die Phönix hätte sich inzwischen im Sternbild des Wassermanns befinden müssen, nach Penelopes Messungen bewegte sie sich jedoch auf Pegasus zu. Das Radiosignal wurde stärker.
     
    Die zivilen Teilnehmer der Expedition erfuhren von den Navigationsproblemen beim Dinner – Lammkoteletts, Sauerkraut und Yorkshire-Pudding. Bislang hatte der Koch keine Veranlassung gesehen, am Proviant zu sparen.
    »Wir mussten feststellen, dass bei der Berechnung unserer Zielkoordinaten ein Fehler aufgetreten ist«, leitete der Kapitän das Thema ein. »Das Signal scheint aus dem Inneren von Pegasus zu kommen, nicht von der Umlaufbahn des Mars.« Mr Barrington-Ward lächelte leichthin. »Dann sollten wir unseren Kurs ändern.« »Aber wie konnte das denn passieren, Kapitän Jennings?«, fragte Mrs Collins. »Ethel, meine Liebe, die VORSEHUNG wacht über unser Schicksal, wo immer wir sind«, sagte Mr. Collins salbungsvoll. Mrs Collins verstummte, ihre Miene machte jedoch deutlich, dass sie das Walten der VORSEHUNG in diesem Fall äußerst dilettantisch fand. Dr. von Todt hielt geziert sein Lammkotelett in seinen überaus behaarten Händen und nagte mit großen weißen Schneidezähnen das Fleisch vom Knochen.
     
    Kapitän Jennings versammelte seine Offiziere und die Wissenschaftler zu einer Beratung über das Schicksal der Expedition.
    Lieutenant Leigh-Hunt, der erste Offizier, schlug die sofortige Rückkehr zur Erde vor. Eine Verlängerung der Reise stelle ein zu hohes Risiko hinsichtlich Treibstoff und Lebensmittelreserven da.
    Lieutenant Penelope Fairfax, die Navigatorin, riet ebenfalls ab, dem Signal weiter zu folgen. Dr. von Todt hingegen – seine Schnurrbartspitzen vibrierten erregt, und Penelope glaubte einen Moment, auch seine Ohren zuckten – befürwortete eine Fortsetzung der Reise. Es sei zu erwarten, dass die Außerirdischen, die das Signal sendeten, über ausreichend Ressourcen verfügten, um das Schiff für die Rückkehr auszurüsten.
    Kapitän Jennings entschied sich, dem Radiosignal zu folgen.
     
    * * *
    Die Phönix war nun beinahe 10 Monate unterwegs. Das Signal schien ferner und ferner zu rücken. Das Schiff war weit ins Sternbild des Pegasus eingedrungen und bewegte sich in Richtung des Großen Bären. Attila lebte inzwischen ausschließlich von Ratten. Zum Dinner gab es für die Expeditionsteilnehmer Grütze mit Speckgrieben. Alle paar Tage kam der geruchlose Zweibeiner in den Laderaum und quälte Attila mit flirrenden Pfeiftönen.
     
    * * *
     
    Penelope stand auf der leeren Kommandobrücke. Die Offiziere wohnten der Abendandacht bei. So viele Male in den letzten Monaten hatte sie die Koordinaten neu berechnet. Das Schiff schien jedoch beharrlich seinem eigenen Kurs zu folgen, dem undurchschaubaren Plan eines fremden Willens unterworfen, nicht der peilenden, messenden Kunst der Navigatorin. Penelope schaute hinaus in die geheimnisvolle, lockende

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