Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn
Schwärze, sah ferne Gestirne, das Licht toter Sonnen, die ihre rätselhaften Lichtbotschaften ins All sandten. Die Sterne des Pegasus schienen zum Greifen nahe. Südlich strahlte rot der Mars, das ursprüngliche Ziel der Mission. In der Weite des Universums, den unendlichen Räumen des Alls, schrumpften das Schiff, seine Besatzung und ihrer aller Leben auf die Größe von Staubkörnchen zusammen. In der Stille der von allen verlassenen Kommandobrücke sah Penelope nun die Wahrheit, die seit Wochen darauf wartete ausgesprochen zu werden: Die Phönix war dem Signal zu lange gefolgt. Die Wasser- und Treibstoffvorräte würden noch etwas mehr als zwei Monate reichen. Wenn sie nicht bald einen bewohnbaren Planeten erreichten wo sie Treibstoff, Wasser und Lebensmittel aufnehmen konnten, war das Schiff verloren.
Schritte hinter ihrem Rücken rissen sie aus ihren Gedanken. Frederick Barrington-Ward hatte die Kommandobrücke betreten. »So sieht also die Unendlichkeit aus, Lieutenant Fairfax«, – der Millionär blickte hinaus auf das schillernde Band der Milchstraße. »Warum haben Sie sich für diese Mission freiwillig gemeldet?« Penelope zögerte. Niemand auf dem Schiff hatte sie je gefragt, warum sie, eine junge, reiche Frau mit besten beruflichen Aussichten in der Æthereal Fleet, sich zu einer so gefährlichen Mission gemeldet hatte. Für andere wäre ein Platz im Expeditionsteam ein Sprungbrett für einen schnellen Aufstieg gewesen. Wieder andere lockten die phantastisch hohen Prämien, die Barrington-Ward für alle Teilnehmer der Expedition ausgelobt hatte. Die Collins konnten zusätzlich zu den irdischen Reichtümern auch noch mit himmlischem Lohn rechnen, wenn sie die Außerirdischen zum Evangelium bekehrten. Penelope jedoch würde mehr Geld erben, als sie jemals ausgeben konnte und mit ihrem Vermögen hätte sie sich jederzeit eine prestigeträchtige Offiziersstelle kaufen können. Ihr früheres Leben erschien ihr plötzlich klein und unwichtig. Sie dachte an Charles Osgood, ihren Verlobten und daran, dass sie durch die Teilnahme an dieser Mission die unvermeidliche Heirat mit einem ungeliebten Mann hatte aufschieben wollen.
Sie hatte Barrington-Ward in den letzten Monaten als anregenden Gesprächspartner schätzen gelernt. Zum ersten Mal nahm sie ihn nun als Mann wahr. Penelope griff nach seiner Hand und zog ihn an sich. Und während sich ihre Körper aneinander pressten, ihre Lippen zueinander fanden und sie sich im Angesicht der Sterne liebten, sah Penelope mit aller Klarheit, dass sie nicht mehr zurückkehren würden.
* * *
Die Reise dauerte nun schon über ein Jahr. Attila lag im Frachtraum und träumte vom Wohlgeruch der Abfallhalden in Soho, einer wundervoll duftenden schwarzen Hündin und davon, wie er einmal eine Hammelkeule gestohlen hatte. Seine Pfoten zuckten, er bellte leise im Schlaf. Zuweilen gab ihm der Koch ein paar Knochenreste oder einen Zwieback, der zu wurmzerfressen war, um ihn der Mannschaft vorzusetzen. Die Ratten, nun Attilas Hauptmahlzeit, wurden dünn und ausgemergelt. Der ohne Geruch kam immer noch regelmäßig in den Frachtraum.
* * *
Der Funker stellte fest, dass sie sich der Quelle des Funksignals näherten. Am 23. März 1900 fand die Phönix in der Umlaufbahn des Sterns Enif die Quelle des Funkspruchs. Sämtliche Mitglieder des Expeditionsteams waren auf die Kommandobrücke geladen, während sich das Schiff dem rätselhaften Objekt näherte. Eine achteckige Kapsel, groß wie eine englische Kathedrale, schwebte im strahlenden roten Licht Enifs. Die Oberfläche bestand aus bläulich schimmernden Metall, das übersät war mit rostigen Pockennarben. »Ein Meteoritensturm«, vermutete Kapitän Jennings. Das ausgesandte Vorauskommando kam mit der Nachricht zurück, es gäbe eine Luke an der oberen Schmalseite der Kapsel.
Die Mitglieder des Expeditionsteams, bestehend aus Frederick Barrington-Ward, Dr. von Todt, Mr. Collins, sowie fünf Marinesoldaten, geführt von Penelope Fairfax, stiegen in ihre Raumanzüge. Mrs Collins, in Erwartung außerirdische Wesen vorzufinden, die nach der spirituellen Nahrung des Evangeliums hungerten, drückte ihrem Gatten eine Bibel in die Hand.
Die Gruppe bestieg den kleinen, Wasserstoff-betriebenen Raumgleiter und legte ab. Als sie sich der Kapsel näherten, fiel Penelopes Blick auf Dr. von Todt. Der Gelehrte schien merkwürdig erregt, seine Hände zuckten, seine Brillengläser blitzten im grellen Licht Enifs. Die Marinesoldaten
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