Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)
Vergangenheit steckt, was der angebliche Grund dafür ist, dass sie neue Technologien so langsam adaptiert.“ Und nur zur Erinnerung: „Es gibt immer noch Busse, Züge, Radios, Fernseher und das Kino, und wir konsumieren immer größere Mengen Papier, Zement und Stahl. Die Produktion von Büchern wächst.“
Viele der wichtigsten Technologien des 20. Jahrhunderts waren lange vor 1900 entdeckt. Und so wird es im 21. Jahrhundert auch sein. Edgerton plädiert dafür, sich die Freiheit zu bewahren, auch in den Feldern nach Innovationen zu suchen, die von den Agenten eines „überholten futuristischen Denkens“ als „out of date“ betrachtet werden – und im Übrigen „kritisch zu sein gegenüber den Hypes“, die die kapitalintensive Suche nach Innovationen flankieren.
Auch wenn wir Expertenprognosen, die die Zukunft betreffen, grundsätzlich misstrauen sollten – eine einfache Faustregel als Remedur gegen die Neomanie bietet der Mathematiker, Philosoph und Erfinder der „Schwarzen Schwäne“ Nassim Nicholas Taleb in seinem Opus Magnum Antifragilität an – der schöne Untertitel des amerikanischen Originals lautet: „How to Live in a World We Don’t Understand“. Technologien, die es schon seit über 50 Jahren gibt, werden auch in 50 Jahren noch Bestand haben. Bei deutlich jüngeren Technologien sollten wir davon ausgehen, dass das meiste vom „Bullshit-Filter der Geschichte“ ausgesiebt wird. Die Zukunft in 50 Jahren wird also in vielem so aussehen wie die Gegenwart. Daneben wird es auch weiterhin Schwarze Schwäne geben, ausgesprochen unwahrscheinliche Ereignisse, die niemand vorhersehen konnte, die eine Delle ins Universum schlagen und dem Lauf der Geschichte eine neue Wendung geben. Wir sollten uns innerlich dafür wappnen, dass Ereignisse dieser Kategorie möglich sind, aber wir sollten gar nicht erst versuchen, sie zu prognostizieren, denn das ist – zumindest nach der Definition von Taleb – ein Ding der Unmöglichkeit. Oder, mit ALF, dem zotteligen Alien aus der Fernsehserie: Was man nicht reparieren kann, das ist auch nicht kaputt.
Boring times
Das wirft auch ein neues Lichtauf die Frage, ob wir wirklich in so bewegten Zeiten leben, wie wir meinen. Sämtliche Manager, jeder Politiker, die meisten Berater, Experten und Kommentatoren werden einstimmen, dass in der gegenwärtigen Welt die einzige Konstante der Wandel ist, dass das Tempo dieses Wandels ein nie gekanntes Ausmaß erreicht hat und dass die Schlagzahl der Innovationszyklen sich ständig erhöht.
Man kann die Geschichte aber auch andersherum erzählen. „Will we ever invent anything this useful again?“, fragt der Economist vom 12. Januar 2013. Auf dem Cover abgebildet: Rodins Denker auf einem handelsüblichen Wasserklosett hockend. Ernstgemeinter Aufhänger: eine anschwellende Debatte darüber, ob sich das Innovationstempo insgesamt verlangsamt hat. Trotz weltweiter Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Rekordhöhe „kam in letzter Zeit niemand mit einer Innovation um die Ecke, die nur halb so nützlich gewesen wäre wie die auf unserem Cover abgebildete“, heißt es im Aufmachertext: „Mit seiner klaren Linienführung und dem intuitiv zu bedienenden User Interface hat das bescheidene Klo das Leben von Milliarden von Menschen nachhaltig transformiert. Und es waren nicht nurmoderne Sanitäreinrichtungen, die Hirne des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ausgebrütet haben: Sie produzierten Autos, Flugzeuge, das Telefon, das Radio und Antibiotika.“
Tatsächlich, wenn man darüber nachdenkt, was unsere Zeit an grundstürzenden Innovationen hervorgebracht hat, fallen einem sofort Computer, die Digitalisierung und das Internet ein – und dann lange Zeit nichts. Angestoßen hat die Debatte ausgerechnet das „poster child“ des neuen Internet-Booms Peter Thiel, der nach seinem Philosophiestudium den Bezahldienst PayPal mitbegründet hat, lange Jahre dessen Chef war und als Venture Capitalist mit einer frühen Facebook-Beteiligung Milliarden verdient hat. Wenn so jemand feststellt, dass die Innovationstätigkeit quasi zum Erliegen gekommen ist und „the end of the future“ an die Wand malt – so geschehen in einem gleichnamigen Essay aus dem Oktober 2011 –, horcht nicht nur die Internet-Öffentlichkeit auf.
Thiel beklagt unter anderem, dass die Reisegeschwindigkeit nicht mehr zunehme – seit der Abschaffung der Concorde im Jahr 2003 sind nicht einmal mehr Überschallflüge möglich –, dass
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