Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)
routinierte Spieler.
Wie aber gewinntman in Schnick, Schnack, Schnuck? Sicher nicht, indem man es wie Bart Simpson macht und immer Stein spielt („Good ol’ rock, nothing beats that!“). Das wäre vorhersehbar und ließe sich spielend durch Papier kontern, wie Lisa Simpson es denn auch tut („Poor predictable Bart. Always takes rock.“). Christian Rieck, Professor für Spieltheorie in Frankfurt, widmet dem Spiel auf seiner Website (spieltheorie.de) eine lange Abhandlung, in der er die untaugliche Stein-Strategie – die, für das Protokoll, nicht mit derjenigen dieses Buchs verwechselt werden darf – auseinandernimmt: „Nehmen wir einmal an, es wäre rational, immer Stein zu werfen. Dann würde der andere seine beste Antwort darauf wählen, und die lautet Papier. Wenn ich also ganz fest daran glaube, dass es rational ist, Stein zu werfen, dann weiß ich, dass der andere Papier wählen wird. Wenn ich das aber weiß, dann wähle ich Schere. Daher zerstört sich der Glaube an die Rationalität von ‚immer Stein‘ aus sich selbst heraus.“
Unter erfahrenen Spielern gilt sogar der Anti-Stein-Grundsatz: „Rock is for rookies.“ Gerade Anfänger neigten dazu, schreibt Graham Walker auf der Website der World RPS Society (worldrps.com), das Spiel mit Stein zu beginnen, weil sie das für eine mutige und kraftvolle Eröffnung halten. Angeblich tendieren unerfahrene Frauen bei der Eröffnung stärker zu Schere. Für Deutschland ließe sich vermuten, dass es tatsächlich, sobanal es klingen mag, mit dem Geschlecht zu tun hat: der männliche Stein, die weibliche Schere. Für den Rest der Welt müsste man den Charakter des Gegenstandes heranziehen, mit dem wir uns identifizieren: massiv vs. schnippisch.
Hat man es also mit einer Frau oder einem gewiefteren Gegenüber zu tun, empfiehlt sich laut Walker die Schere als Eröffnung. Weil sie so gut wie niemals mit Stein eröffnen werden, ist man mit Schere auf der sicheren Seite. Für das Auktionshaus Christie’s zahlte sich diese Strategie aus, als es im Jahr 2005 darum ging, die van Goghs, Cézannes und Picassos des japanischen Sammlers Takashi Hashiyama im Wert von 20 Millionen Dollar zu versteigern. Der Elektro-Unternehmer konnte sich nicht für eines der beiden großen Auktionshäuser entscheiden und überließ es deshalb dem Spiel. Christie’s’ internationaler Leiter für Impressionisten und moderne Kunst befragte seine damals 11-jährige Tochter. Die empfahl, Schere zu spielen, „weil jeder davon ausgeht, dass du Stein spielst“. Sotheby’s hingegen betrachtete die Veranstaltung wohl als reines Glücksspiel oder unterschätzte die Gegenseite und wählte jedenfalls Papier. Christie’s verdiente Millionen an der Provision.
Geht ein Spiel über mehrere Runden, ist man hingegen gut beraten, Papier zu spielen – und damit auszunutzen, dass Schere mit 29,6 Prozent etwas seltener vorkommt als das statistisch erwartbare eine Drittel aller Züge. Aber auch das kann einem auf die Butterseite schlagen, wenn der Gegner diese Strategie wittert und deshalb häufiger Schere spielt. Schon ist man mitten drin im zirkulären Hase-und-Igel-Gedanken-Wettrennen, bei dem es darum geht, die Denktiefe des Gegners richtig einzuschätzen und ihn um eins zu toppen. Deshalb kann es per se keine „dominante Strategie“ geben, die unter allen Umständen Erfolg verspricht, wie Christian Rieck schreibt: „Das Problem ist, dass es zu jeder Strategie, die vorhersehbar ist, eine Gegenstrategie gibt, die gewinnt. Daher brauchen wir eine Strategie, die unvorhersehbar ist. Unvorhersehbar ist aber nur ein anderes Wort für zufällig. Also muss die Strategie zufällig sein.“
Klingt logisch, aber kann das eine Strategie für Champions sein? Hielten sich beide Spieler daran und würden ihre Züge tatsächlich rein zufällig wählen, würde auf lange Sicht ein Drittel der Spiele der eine gewinnen, ein Drittel der andere, und ein Drittel ginge unentschieden aus. Wir wären wieder beim Glücksspiel. Die Hintertür wahrer Könner- und Meisterschaft öffnet sich, weil die meisten Menschen sehr schlecht darin sind, den Zufall zu simulieren. Der reine mathematische Zufall produziert nicht selten scheinregelmäßige Häufungen, Serien und Muster, die uns als „nicht zufällig genug“ erscheinen. „Tatsächlich sind Menschen, die versuchen, dem Zufall nahezukommen, sehr vorhersehbar“, schreibt Graham Walker.Und dasist genau, was Profispieler ausnutzen, um die Fifty-Fifty-Chance zu
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