Die Steine der Fatima
sagen?«
»Herrin, bitte verzeiht meinem Herrn. Er ist noch sehr jung, und die Liebe ist ihm noch fremd. Als Ihr so plötzlich verschwunden seid, hat er sich entsetzlich gegrämt. Er hatte keinen ruhigen Augenblick und ist sogar zu den Soldaten gegangen, um Euch suchen zu lassen. Er hat das Schlimmste befürchtet, keinen Bissen zu sich genommen. Und ich weiß, dass er aus Sorge um Euch sogar geweint hat. Er selbst würde das natürlich niemals zugeben, und wenn er wüsste, dass ich Euch davon erzählt habe, würde er mich schwer bestrafen, aber…« Der alte Mann sah Beatrice treuherzig an. »Verzeiht ihm bitte seinen Zorn. Aber er liebt Euch wirklich.«
Beatrice lächelte. Selims Worte und seine Anteilnahme rührten sie.
Er kümmerte sich um Ali wie ein Vater, obwohl dieser ihn manchmal ziemlich grob behandelte.
»Und warum sagt er es dann nicht einfach?«
»Ich weiß, er ist ein wenig ungeschickt«, erwiderte Selim und seufzte. »Aber bitte, habt auch dafür Verständnis. In all den Jahren seit seines Vaters Tod hat es für ihn nichts anderes gegeben als die Wissenschaft. Er hat sich so in seine Bücher und seine vielfältigen Studien vergraben, dass er darüber, nun ja, die angenehmen Dinge des Lebens fast vergessen hat. Ich bedauere es sagen zu müssen, aber er weiß es einfach nicht besser.«
Beatrice legte dem alten Diener eine Hand auf den Arm. »Ich danke dir für deine ehrlichen Worte, und ich verspreche dir, dass ich Ali verzeihen werde«, sagte sie. »Und nun geh, und beruhige deinen Herrn. Ich werde jetzt bei Saddin bleiben. Und falls ich etwas brauchen sollte, werde ich dich rufen.«
Selim verneigte sich und verließ das Arbeitszimmer. Leise trat Beatrice in die Patientenkammer. Saddin lag auf dem Bett, ohne sich zu rühren. Sein Gesicht war kreidebleich, aber er atmete ruhig und gleichmäßig. Vielleicht würde er es schaffen. Hoffentlich!
17
Natürlich hatte Ali seinen Vorsatz, keinen Finger für Saddin zu rühren, nicht einmal einen Tag einhalten können. Schon der Gedanke, Beatrice auch nur einen Moment allein mit diesem gefährlichen Nomaden zu lassen, machte ihn so unruhig, dass er die beiden kaum aus den Augen ließ und ebenso oft an Saddins Bett weilte wie Beatrice. So war er Zeuge geworden, wie der Nomade noch am selben Tag aus seinem Rausch erwachte und wieder bei klarem Verstand war. Staunend hatte er mit angesehen, wie es dem jungen Mann von Tag zu Tag besser ging, seine Wunde allmählich heilte und langsam die Farbe in sein Gesicht wiederkehrte. Dennoch war er überrascht, als er an einem Abend etwa zwei Wochen nach der Operation in das Krankenzimmer trat und er Saddin vollständig angekleidet am Fenster stehen sah.
»Ich wusste nicht, dass du schon aufgestanden bist«, sagte Ali und sah sich unruhig in dem kleinen Zimmer um. »Wo ist Beatrice?«
Vermutlich war Saddin Alis aufkeimende Panik nicht entgangen, denn er wandte sich um.
»Du brauchst keine Angst zu haben, es geht ihr gut, sie ist noch am Leben«, sagte er mit einem spöttischen Lächeln. »Allerdings ist sie ziemlich müde und erschöpft. Deshalb hat sie sich frühzeitig in ihr Zimmer zurückgezogen.«
»Ist das denn ein Wunder? Sie hat Tag und Nacht an deinem Bett verbracht, kaum geschlafen, nur wenig gegessen. Da wäre doch wohl jeder erschöpft«, fauchte Ali den Nomaden an und ärgerte sich schon im nächsten Augenblick über sich selbst. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, kühl und gelassen zu bleiben, um sich Saddin gegenüber keine Blöße zu geben. Er riss sich zusammen und straffte die Schultern. »Es tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich sein. Ich sollte jetzt wohl lieber gehen.«
»Nein, bleib!«, hielt Saddin ihn zurück. »Es ist gut, dass wir beide allein sind. Ich muss mit dir sprechen, Ali al-Hussein.«
»Und worum geht es?«, fragte Ali, der seine Eifersucht kaum noch beherrschen konnte, bissig. Nur zu gern wäre er diesem Kerl, diesem Teufel im Körper eines Engels, an die Kehle gegangen. »Willst du mir schildern, wie ihr zwei die Nächte miteinander verbracht habt, nachdem du bereitwillig meinen Auftrag angenommen hast?«
Saddin schüttelte tadelnd den Kopf. »O Ali al-Hussein. Ist es denn nicht möglich, ein ruhiges Gespräch von Mann zu Mann mit dir zu führen? Habe ich sie dir etwa nicht zurückgebracht? Außerdem…« Ein spöttisches Lächeln glitt über sein Gesicht. »Soweit ich weiß, habe ich dir nichts weggenommen, was dir jemals gehört hätte. Beatrice ist eine
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