Die Steine der Fatima
jeder Diener wurde zu irgendwelchen seltsamen Arbeiten herangezogen. Am meisten scheuchte Beatrice jedoch die Küchensklaven hin und her. Sie liefen, um Instrumente zu säubern, frisches, abgekochtes, mit Salz versetztes Wasser oder eben saubere Tücher zu holen. Neben dem Bett lag bereits ein Haufen blutiger Tücher. Ali wurde schlecht bei dem Gedanken daran, dass diese blutbefleckten Laken auf seinem Bett gelegen hatten und er vermutlich mit der Gabel, die gerade die Eingeweide dieses Mannes auseinander hielt, erst gestern seinen Lammbraten aufgespießt hatte. Sicher war es am besten, wenn er das Besteck und die Wäsche gleich morgen früh wegwerfen würde.
»Jetzt können wir ihn wieder zumachen«, sagte Beatrice.
Ali sah überrascht auf. Vor ihm auf einem kleinen Teller lag etwas, das Ähnlichkeit mit einem dicken, blutig roten, fleischig glänzenden Wurm hatte. Während seiner Arbeit als Arzt hatte er schon viel gesehen, aber jetzt wurde ihm doch übel. Von diesem Teller pflegte er sonst Käse zu genießen! Er würde auch diesen Teller aus seinem Haushalt entfernen müssen – oder nie wieder Käse essen.
Fasziniert beobachtete Ali, wie Beatrice in einer Geschwindigkeit, dass er der Bewegung ihrer Finger und Hände kaum mit den Augen folgen konnte, Knoten machte und Strukturen zusammennähte, deren Namen er noch nicht einmal kannte. Er seufzte. Sie war wundervoll, bewundernswert! Wenn er jemals daran gezweifelt hatte, dass sie tatsächlich in der Medizin bewandert war, so wurden auch die letzten Bedenken spätestens jetzt zerstreut. Sie wusste viel, vielleicht sogar viel mehr als er. Abgesehen von ihrem erstaunlich dürftigen Wissen über Medizinalkräuter wusste sie vermutlich sogar mehr als alle berühmten Ärzte der römischen und griechischen Antike.
Nun frag sie schon, du alter Trottel!, dachte er. Frag sie, wie die Strukturen heißen, die sie zusammenfügt, frag sie nach ihrer Funktion. Allah schenkt dir diese einmalige Gelegenheit, also nutze sie.
Doch er konnte einfach nicht. Sobald er sich dazu durchrang, den Mund aufzumachen, sah er Beatrice vor sich, wie sie sich über Saddin gebeugt und ihn geküsst hatte. Dieses Bild versetzte ihm einen schmerzhaften Stich, der alle anderen Gedanken auslöschte.
Hoffentlich stirbst du, du elender Mistkerl!, dachte Ali hasserfüllt. Und mögest du dann in den Feuern der Hölle schmoren!
Beatrice sank auf eines der Sitzpolster in Alis Arbeitszimmer und nahm dankbar den Minztee und das helle, knusprige Brot an, das Ali ihr gereicht hatte. Sie hatte eigentlich keinen Hunger, aber die Vernunft sagte ihr, dass sie etwas essen musste. Müde und erschöpft stützte sie den Kopf auf die Knie.
Dies war die schlimmste und schwierigste Blinddarmoperation ihrer gesamten medizinischen Laufbahn gewesen. Über zwei Stunden hatte sie für eine Operation gebraucht, die sie normalerweise in etwa fünfunddreißig Minuten schaffte.
Nebenan in der Patientenkammer lag Saddin und schlief. Sein Herzschlag war regelmäßig, sein Atem ruhig. Kurz nach der Operation war er sogar ansprechbar gewesen. Allah hatte ihm genügend Kraft gegeben, diesen Eingriff zu überstehen. Sie hatte getan, was sie konnte. Aber der Blinddarm war bereits perforiert gewesen. Sie hatte Saddins Bauch mehrmals mit einer Salzlösung gespült, um möglichst auch den letzten Eiterherd zu entfernen. Jetzt blieb ihr nur noch zu hoffen, dass diese Maßnahmen ausreichten und dass die Nähte in seinem Körper hielten. Beatrice schickte ein Gebet zum Himmel.
Die Fäden, die Ali ihr gegeben hatte, waren so dick gewesen, dass sie während der Operation das Gefühl gehabt hatte, sie würde versuchen, einen Pullover aus Schiffstauen zu stricken. Wenn nur eine dieser Nähte wieder aufbrach, zu fest war oder leckte!
Vor Beatrices Augen entstanden Horrorvisionen von inneren Blutungen, Darm- und Gefäßverletzungen, einer schweren Bauchfellentzündung. Jede einzelne dieser Komplikationen wäre hier, im Zeitalter fehlender Antibiotika und vernünftiger intensivmedizinischer Betreuung, unbeherrschbar. Die Konsequenz…
»Du siehst müde aus«, unterbrach Ali ihre trüben Gedanken, und sie merkte, dass sie seine Anwesenheit fast vergessen hatte. »Willst du dich nicht hinlegen und etwas schlafen? Dein Zimmer ist jetzt fertig und…«
Beatrice schüttelte den Kopf »Nein, das ist lieb von dir, aber ich werde in der Patientenkammer auf dem Boden schlafen. Ich möchte bei Saddin sein, falls es irgendwelche Probleme
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