Die Steine der Fatima
halten.«
»Beim Barte des Propheten, weshalb sollte ich das tun?«, rief Nuh II. erbost aus. »Bin ich nicht der Emir von Buchara? Gilt nicht mein Wort und mein Befehl in der ganzen Stadt? Was hat eine Frau mir zu sagen? Wenn Fatma kommen will, soll sie morgen zu mir kommen. Heute will ich die Nacht mit der Sklavin aus dem Norden verbringen.«
»Nun, Herr, wenn Ihr es durchaus wünscht, so werde ich gehen und die Angelegenheit mit Fatma persönlich besprechen«, erwiderte Ahmad. »Das ist sicherlich besser, als wenn sie die Nachricht durch einen Boten erreicht. Ich kann nur hoffen, dass sie es auch versteht.«
»Was willst du damit sagen, Ahmad?«
Ahmad zuckte mit den Schultern. »Ihr kennt Fatma, Herr. Sie ist immer noch wütend, weil Mirwat ihren Platz an Eurer Seite eingenommen hat, und sie wird gewiss nicht erfreut sein, wenn ihr ihre Rechte nun auch noch von einer Sklavin streitig gemacht werden.«
Nachdenklich strich sich Nuh II. durch seinen Bart. »Was denkst du, was könnte sie tun?«
Ahmad stieß einen Seufzer aus und hob seine Hände theatralisch zum Himmel. »O mein Gebieter, das weiß nur Allah. Bedenkt jedoch das alte Sprichwort: Eine enttäuschte Frau ist wie ein Dämon; sie ist zu jeder Bosheit fähig. Und Fatma hat ihren Einfluss im Harem noch nicht eingebüßt…«
Nuh II. runzelte die Stirn und lief nervös im Raum auf und ab, während Ahmad, äußerlich ruhig und gelassen, wartete. Aber in seinem Inneren betete er zu Allah, dass Nuh II. sich doch noch anders entscheiden möge.
»Also gut!«, rief Nuh II. schließlich wütend aus. »Heute Nacht wird Fatma bei mir sein.«
Ahmad atmete erleichtert auf und schickte ein Dankgebet zum Himmel.
Allerdings hatte er bereits geahnt, welche Entscheidung Nuh II. treffen würde. Der Emir mochte zwar unbeherrscht, vergnügungssüchtig und zuweilen sogar jähzornig sein, aber dumm war er nicht.
»Das ist eine weise Entscheidung, mein Gebieter«, sagte er und verbeugte sich ehrfürchtig.
»Vielleicht«, zischte Nuh II. wütend. »Angeblich bin ich der Herrscher von Buchara, aber in Wahrheit bin ich nichts weiter als der Sklave meines Harems, den Ränken und Wünschen der Weiber hilflos ausgeliefert. Ich sage dir, Ahmad, wenn ich die Wahl hätte, würde ich auf der Stelle mit meinem Stallburschen tauschen. Der hat nur eine Frau.«
»Ich verstehe Euch, mein Gebieter, aber…«
»Ich weiß, ich habe keine andere Wahl«, stieß Nuh II hervor. »Unruhe im Harem ist das Schlimmste, was einem Herrscher passieren kann. Das ist eine Nacht mit einer Sklavin nicht wert, selbst wenn sie noch so leidenschaftlich wäre. Wie die Dinge stehen, muss ich dir dankbar sein, Ahmad. Du hast mich auf diesen Fehler aufmerksam gemacht und dadurch wahrscheinlich Schlimmes verhindert. Geh jetzt, und lass Fatma zu mir bringen.«
Ahmad verbeugte sich und verließ das Schlafgemach. Bevor er die Tür hinter sich schloss, hörte er noch, wie Nuh II. mit einem wütenden Fußtritt eine der Messingschalen quer durch den Raum schleuderte.
Ahmad war zufrieden. Für den Augenblick hatte er die rätselhafte Frau aus dem barbarischen Norden von Nuh II. ferngehalten. Nun konnte er sich in Ruhe darum kümmern, dass sie unter Beobachtung blieb. Er hatte seine Kontakte, und die würde er jetzt nutzen.
Und vielleicht gelang es ihm sogar, Dinge herauszufinden, die Nuh II. davon überzeugen würden, diese seltsame Frau aus dem Norden wieder dahin zu schicken, woher sie kam – in die Wüste.
Ahmad ging in sein Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Er bewohnte zwar ein eigenes großzügiges und überaus komfortabel eingerichtetes Haus außerhalb des Palastes, das sich bereits seit vielen Generationen im Besitz der Familie Yahrkun befand, aber dort war er selten anzutreffen. Meistens zog er sich in dieses Zimmer zurück. Es war sehr schlicht eingerichtet. Nur wenige kostbare Teppiche bedeckten den Boden und die weiß getünchten Wände. Zwei Sitzpolster, zwei niedrige Tische und eine Truhe aus Ebenholz bildeten die ganze Einrichtung. Ein schmales Fenster mit einem schlichten geschnitzten Gitter davor ließ Licht und Luft in den Raum, und auf dem Sims davor gurrten Tauben.
Dieses Zimmer war ein Ort der Ruhe und des Friedens für Ahmad. Hierhin konnte er sich zurückziehen, um nachzudenken oder zu beten. Und dennoch verlor er von hier aus nie die Geschehnisse im Palast aus den Augen.
Ahmad nahm auf einem der Sitzpolster Platz und zog den niedrigen Schreibtisch näher. Er öffnete
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