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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Vergnügen.
    Beatrice genoss das heiße Wasser, das ihr, wenn sie sich auf den Boden des Beckens setzte, bis knapp zu den Schultern reichte. Sie lehnte sich gegen die Beckenwand und schaute Jambala zu. Obwohl Mirwat es so eilig gehabt hatte, ins Bad zu kommen, schien sie heute wenig Lust zu haben, in das heiße Wasser zu steigen. Sie hatte sich ein Tuch um den Oberkörper wickeln lassen, saß am Beckenrand, trank ein Glas Granatapfelsaft und ließ ihre Beine ins Wasser hängen. Sie lachte so sehr über Jambala, dass sie beinahe in das Becken gefallen wäre, wenn Beatrice sie nicht festgehalten hätte.
    Jambala begann gerade damit, Jussuf nachzuahmen, als plötzlich alle wie auf ein geheimes Zeichen hin verstummten.
    »Dann stimmt es also wirklich«, sagte Mirwat leise zu Beatrice. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie es wagt, heute ins Bad zu kommen.«
    Beatrice hatte sich nur auf Jambala konzentriert und sich gewundert, weshalb die Kleine ihre Späße nicht fortsetzte. Überrascht sah sie nun ebenfalls zur Tür, in deren Richtung mindestens dreißig Augenpaare starrten, und schnappte entsetzt nach Luft.
    In der Tür stand Fatma. Aber wie sah sie aus! Ihre Arme, ihre Beine und ihr Bauch waren mit blutroten Striemen übersät, und ein hässlicher blauer Fleck von der Größe einer Männerfaust verunstaltete ihre rechte Gesichtshälfte.
    Beatrice biss sich auf die Lippen. Sie schämte sich dafür, dass sie die arme, geschundene Frau ebenso anstarrte wie die anderen. Obwohl Fatma sich wie in einer Zirkusarena fühlen musste, ließ sie sich nichts davon anmerken. Trotzig erwiderte sie den Blick der anderen. Langsam, mit hoch erhobenem Kopf durchquerte sie die Halle und drehte den anderen ihren Rücken zu, der noch schlimmer aussah. Sie sagte kein Wort, ihr Gesicht war starr, als wäre es aus Stein gemeißelt. Dennoch schien es Beatrice, als würde ihr jeder Schritt Schmerzen bereiten. Schließlich ließ sich Fatma auf der am weitesten von der Tür entfernten Massagebank nieder, vorsichtig, langsam und umständlich.
    »Die Ärmste!«, stieß Beatrice hervor und wollte aufspringen, um Fatma zu helfen, aber Mirwat ergriff ihren Arm und hielt sie zurück.
    »Bleib hier«, sagte sie leise.
    »Aber man muss ihr doch helfen«, widersprach Beatrice. »Ich bin Ärztin, Mirwat. Ich muss zu ihr. Vielleicht hat sie sich etwas gebrochen. Ich muss sie wenigstens untersuchen.«
    »Das musst du nicht«, entgegnete Mirwat energisch. »Sie hat es verdient.«
    Beatrice starrte ihre Freundin sprachlos an. Da war wieder diese Härte in Mirwats Stimme, diese Gehässigkeit.
    »Du weißt etwas darüber?«, hakte Beatrice nach. Sie hatte den Verdacht, dass Mirwat sich aus diesem Grund so sehr auf das Bad gefreut hatte. »Was ist passiert? Wer oder was hat Fatma so zugerichtet?«
    Mirwat hob eine Augenbraue, ihre Lippen umspielte ein schadenfrohes Lächeln.
    »Fatma hat die letzte Nacht mit Nuh II. verbracht. Mir ist zu Ohren gekommen, dass er ein wenig verärgert gewesen sein soll.«
    »Woher weißt du das?«
    »Nirman hat es mir erzählt. Durch Zufall sah sie heute früh, wie Jussuf Fatma in ihr Gemach zurückgebracht hat. Sie war nicht einmal mehr in der Lage, alleine zu gehen. Er musste sie tragen.«
    »Also durch Zufall hat Nirman das mit angesehen? Sie hat nicht etwa so lange gewartet, bis sie…«
    »Möchtest du auch, Beatrice?«, unterbrach Mirwat sie und hielt ihr eine Messingschale mit Datteln und Feigen unter die Nase.
    Über den Rand der Schale trafen sich ihre Blicke. In Mirwats dunklen Augen lag eine boshafte Freude und Kälte, die Beatrice Schauer über den Rücken jagten. Sie wusste zwar, dass zwischen Fatma und Mirwat nicht gerade eine tiefe Freundschaft herrschte – Fatma hatte Mirwat immer noch nicht verziehen, dass diese ihren Platz als Lieblingsfrau des Emirs eingenommen hatte, und überschüttete die jüngere Frau daher oft mit Gemeinheiten –, aber dass der Hass auch bei Mirwat so tief ging, das hatte sie nicht gewusst. Nun, wahrscheinlich musste sie noch zwanzig Jahre hier im Harem leben, um dieses komplizierte Gesellschaftsgefüge zu begreifen.
    Wortlos nahm Beatrice eine Dattel. Anscheinend fand es keine der anderen Frauen anstößig, dass Nuh II. es gewagt hatte, eine von ihnen zusammenzuschlagen. Lediglich ein paar Frauen schienen Fatma ehrlich zu bedauern, die meisten reagierten mit Spott oder ignorierten den Vorfall einfach, als hätte Fatma sich die blauen Flecke und blutunterlaufenen Striemen selbst zugefügt.

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