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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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einen Kasten aus Ebenholz und holte Feder, Tinte und ein kleines Stück Papier heraus. Hastig kritzelte er eine Nachricht darauf, rollte sie zusammen und steckte sie in eine kleine goldene Röhre.
    Dann öffnete er das Fenstergitter. Das Gurren der Tauben wurde lauter, als sie ihren Herrn erblickten. Zutraulich rieben sie ihre Köpfe an seinen Händen. Lächelnd streichelte Ahmad den beiden schneeweißen Tauben über das Gefieder. Doch nicht sie, seine kostbaren Lieblinge, sollten ihm heute einen Dienst erweisen.
    Er griff nach der dritten Taube. Sie sah mit ihrem unscheinbaren grauen Gefieder aus wie alle wild lebenden Tauben, die in Buchara auf den Dächern der Häuser und den Kuppeln der Moscheen ihre Nester bauten. Sie war unauffällig. Geschickt band Ahmad die filigrane Röhre an dem Bein der Taube fest.
    »So, meine Kleine, sei schön vorsichtig«, flüsterte er dem Tier zu und streichelte zärtlich über ihr Gefieder. »Und nun flieg, flieg zu deinem Herrn!«
    Er warf sie in die Luft und beobachtete fasziniert, wie die Taube höher und immer höher stieg, über der Kuppel des Palastes eine Runde drehte und dann nach Westen davonflog.
    »Allah schütze dich auf deinem Flug«, murmelte Ahmad.
    Er liebte die Tauben, als wären sie seine Kinder. Jedes Mal, wenn er eine von ihnen aufließ, machte er sich Sorgen um ihr Wohlergehen.
    Sogar für diese Taube, die ihm gar nicht gehörte, fühlte er sich verantwortlich.
    Wenn sie nun einem Falken in die Klauen geriet? Oder gar gejagt wurde? In Buchara gab es genügend roh gesittete Menschen, die mit Pfeil und Bogen auf Taubenjagd gingen. Diese Barbaren brieten die Täubchen an Spießen, sie kochten das Fleisch und bereiteten daraus Pasteten zu. Dieselben Menschen weigerten sich hingegen standhaft, Pferdefleisch zu verzehren, und wären vermutlich eher verhungert, als auch nur einen Bissen davon zu sich zu nehmen. Mit einem Seufzer schloss er das Gitter wieder und wandte sich vom Fenster ab.
    Ahmads Gedanken wanderten erneut zu Nuh II. und der Frau aus dem Norden. Erleichtert ließ er sich auf sein Sitzpolster fallen und streckte die Beine aus. Er hatte getan, was ihm zu diesem Zeitpunkt möglich war, hatte versucht sein Versäumnis, sich nicht schon viel eher um diese rätselhafte Frau gekümmert zu haben, wieder gutzumachen. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als die Antwort auf seinen Brief abzuwarten. Dann würde er weitersehen.
    Aber um Fatma tat es ihm ehrlich leid. Arme Fatma! Sie konnte nichts dafür, und doch würde Nuh II. ohne Zweifel seinen Zorn und seinen Unmut an ihr auslassen. Die heutige Nacht würde für sie bestimmt kein Genuss werden.

8
     
     
     
    Am folgenden Tag hatten sich Mirwat und Beatrice kurz nach dem Morgengebet im Bad verabredet. Das Bad, ein wahrer Luxustempel, der es spielend mit jeder Wellness-Oase des ausgehenden 20. Jahrhunderts hätte aufnehmen können, gehörte zum Haremstrakt des Palastes und war allein den Frauen des Emirs vorbehalten. Sie nutzten das Bad nicht nur zur Reinigung, Entspannung und Schönheitspflege, es war obendrein ein viel besuchter gesellschaftlicher Treffpunkt. Insbesondere nach dem Morgengebet kam abgesehen von Sekireh jede Frau, die zum Harem des Emirs gehörte, hierher. Es wurden Neuigkeiten aus dem Palast und der Stadt ausgetauscht, Klatsch und Tratsch machten die Runde, Dienerinnen reichten kleine kulinarische Leckerbissen und frisch gepresste Säfte. Man zeigte sich, begutachtete gleichzeitig misstrauisch die anderen, registrierte jeden noch so kleinen Makel an den Rivalinnen und verteilte großzügig mit Sticheleien und Gemeinheiten versehene Komplimente. Dabei badete man in heißem, nach Rosen oder Orangenblüten duftendem Wasser oder ließ sich von einer Dienerin die Nägel feilen, eine Schönheitsmaske auflegen oder den Körper mit Duftölen massieren. Aber im Grunde genommen war die Schönheitspflege reine Nebensache. Eigentlich war das Bad nichts anderes als das Schlachtfeld, auf dem die Frauen ihre Bündnisse unter- und gegeneinander schlossen und ihre unblutigen, aber nicht minder verletzenden Kriege führten.
    Als Beatrice den Vorraum des Bads betrat, in dem sich die Frauen ihrer Kleider entledigten, war dieser gerade leer. Anhand der bereits auf den hölzernen Bänken liegenden Kleidungs- und Schmuckstücke erkannte sie, dass Mirwat noch nicht im Bad war. Beatrice hasste es, allein in die runde Halle mit den Wasserbecken und Massagebänken zu gehen. Sogar in Hamburg hatte sie schon seit dem

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