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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Mansur die Nachfolge seines Vaters als Emir von Buchara angetreten hatte, war Ahmad sein Berater und engster Vertrauter. Vielleicht hätte Nuh II. ihn sogar seinen einzigen wahren Freund genannt, wenn der Standesunterschied zwischen den beiden Männern es zugelassen hätte. Sie kannten sich bereits ihr ganzes Leben lang. Schon Ahmads Vater, Großvater und Urgroßvater hatten den Emiren als Berater zur Seite gestanden. Seit es das Emirat von Buchara gab, hatten viele Herrscherfamilien den Thron bestiegen und waren, nach kurzer oder langer Regentschaft, von einer anderen Familie verdrängt oder abgelöst worden. Doch stets, über Dynastien und fast drei Jahrhunderte hinweg hatte der Erstgeborene der Familie Yahrkun dem amtierenden Herrscher mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Natürlich war die Familie über diese Zeit hinweg immer wieder Neid und Missgunst ausgesetzt gewesen. Böse Zungen behaupteten gar, sie wären die eigentlichen Herrscher in Buchara und sie verdienten es, dass man sie endlich aus der Stadt vertrieb. Doch zum Glück hielt Allah immer seine schützende Hand über der Familie Yahrkun, vermehrte ihr Ansehen und ihren Reichtum langsam, aber stetig und bewahrte sie vor allzu großem Übel. Und niemand in Buchara konnte sich einen Thron vorstellen, an dessen Seite kein Yahrkun stand.
    Es war also nicht ungewöhnlich, dass die beiden fast gleichaltrigen Jungen Nuh II. und Ahmad gemeinsam aufwuchsen und zu Männern heranreiften. Sie hatten zusammen reiten und jagen gelernt, die Erfahrungen ihrer ersten Liebe miteinander geteilt und waren schließlich gemeinsam älter geworden. Ahmad kannte Nuh II. fast besser als sich selbst. Er wusste, wie er dessen Unbeherrschtheit und Ungeduld zügeln konnte, und hatte ihn im Laufe der Jahre mehr als einmal vor einer Torheit bewahrt. Oft kannte Ahmad Nuhs Gedanken, noch bevor dieser sie überhaupt gedacht hatte. Aber was der Emir heute Abend vorhatte, das vermochte er nicht zu erraten. War das der Grund für die Übelkeit, die ihn plagte, seit er das Schlafgemach betreten hatte, oder war es eine Ahnung von drohendem Unheil?
    Die Tür ging auf, und Nuh II. kam herein.
    »Wunderbar!«, rief er aus und rieb sich in Vorfreude die Hände wie ein kleiner Junge. »Wie ich sehe, ist alles bestens vorbereitet.«
    »Ja, mein Gebieter, es ist in der Tat alles für eine Nacht der Freuden vorbereitet«, sagte Ahmad langsam. »Aber gestattet mir eine Frage: Wozu benötigt Ihr die Felle und die Ketten?«
    »Ich dachte mir, dass es vielleicht den Bedürfnissen der Frau mit dem Goldhaar eher entspricht als seidene Laken.«
    »Der Frau mit dem Goldhaar?«, fragte Ahmad und konnte sein Entsetzen kaum verbergen. »Ihr meint doch nicht etwa die hochgewachsene Sklavin aus dem Norden, die Ihr vor Kurzem erworben habt?«
    »Nun, für meine Begriffe ist es schon ziemlich lange her, dass ich sie kaufte, doch du hast recht, Ahmad, jene Sklavin meine ich.«
    »Aber sie sollte doch noch einmal untersucht werden. Hat Ali al-Hussein…«
    »Er hat sie vor einigen Stunden untersucht und mir versichert, dass sie völlig gesund ist«, entgegnete der Emir scharf. »Ich will nicht länger warten. Ich habe sie nicht erworben, damit sie in meinem Garten herumspaziert. Hast du Einwände?«
    Ahmad schwindelte es. Nur wenig, was im Palast vorging, blieb ihm verborgen. Dass ihm ausgerechnet der Besuch von Ali al-Hussein entgangen war, war unverzeihlich. Er hatte vorher mit dem Arzt sprechen wollen, um sein Urteil über jene Sklavin zu beeinflussen. Ahmad fielen auf Anhieb etwa ein Dutzend gute Gründe ein, weshalb Nuh II. sich lieber nicht mit dieser Frau einlassen sollte. Einer davon war, dass ihm diese Sklavin nicht geheuer war. Niemand wusste, woher sie wirklich kam. Und sie hatte etwas in ihrem Blick, das Ahmad eher an einen Mann denn an eine Frau erinnerte.
    Ein anderer Grund hieß Fatma. Sie war die erste Frau des Emirs gewesen, bis die junge, schöne, unbeschwerte Mirwat aufgetaucht war und Nuh II. diese zu seiner Lieblingsfrau erkoren hatte. Seither spuckte Fatma Gift und Galle, sobald sie sich zurückgesetzt fühlte. Und ausgerechnet diese Nacht, das wusste Ahmad ganz genau, war eigentlich für sie bestimmt gewesen.
    »Verzeiht mir, mein Gebieter«, begann Ahmad vorsichtig. Nuh II. hasste es zwar, wenn ihm widersprochen wurde, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Die Zeit war zu knapp. »Ihr hattet Fatma für heute Nacht zu Euch gebeten. Und ich lege Euch nahe, Herr, Euch an diese Zusage zu

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