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Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Waffen handelte. »Hilf
mir!« keuchte er. Er versuchte verzweifelt, den
bewußtlosen Eingeborenen in die Höhe zu zerren, aber der
Mann war viel zu schwer für ihn. Und Singh zögerte, mit
zuzupacken. »Verdammt noch mal, Singh!« schrie Mike.
»Ohne ihn wärest du jetzt vielleicht schon tot!«
Das wirkte. Kurz entschlossen hob Singh den bewußtlosen Eingeborenen hoch, warf ihn sich über die Schulter
und begann auf den Waldrand zuzulaufen. Mike folgte
ihm, allerdings nicht, bevor er noch einen letzten Blick
zum Strand zurückgeworfen hatte. Das schwarze Boot war
ein gutes Stück auf den Sand hinaufgeglitten, und seine
Besatzung kletterte hastig von Bord. Mike war jetzt sicher,
daß die winzigen silbernen Stäbe, die sie in den Händen
hielten, Waffen waren.
    Als sie noch zehn Meter vom Waldrand entfernt waren,
wurde aus dieser Vermutung Gewißheit. Ein dünner Faden
aus weißem Licht zuckte plötzlich zwischen Singh und
ihm hindurch und schlug in den Waldrand ein, und seine
Wirkung war verheerend. Eine der gewaltigen Palmen
loderte auf und zerfiel in einem Sekundenbruchteil zu
Asche, und das Unterholz ringsum ging in einem Bereich
von sicherlich fünf oder auch sechs Metern schlagartig in
Flammen auf. Singh fluchte lauthals in seiner
Muttersprache, schlug einen Haken nach links und schrie
Mike zu, in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Eine
Sekunde später züngelte ein zweiter Lichtblitz in Singhs
Richtung, der ihn diesmal nur um Haaresbreite verfehlte
und einen weiteren Bereich des Waldrandes in ein
Flammenmeer verwandelte.
    Die Eingeborenen waren längst im Dickicht verschwunden. Mike hoffte, daß sie bereits in Sicherheit
gewesen waren, als der Blitz den Waldrand traf.
Hakenschlagend erreichte auch er den Waldrand, brach
rücksichtslos durch das Geäst und stolperte noch ein
halbes Dutzend Schritte weiter, ehe er stehenblieb und
sich schweratmend umsah. Singh kämpfte sich ein gutes
Stückweit links von ihm ins Gebüsch, und von den
Eingeborenen war keine Spur mehr zu sehen. Vom Strand
her zuckten keine weiteren Blitze mehr zu ihnen herauf, so
daß Mike allmählich die Hoffnung zu fassen begann, daß
sie in Sicherheit waren. Die Männer, die mit dem Boot
gekommen waren, hatten nicht nur das Feuer eingestellt,
sondern unternahmen auch keinen Versuch, sie zu
verfolgen. Allerdings auch keinen, ihren Kameraden zu
Hilfe zu eilen. Nach einigen Augenblicken sah Mike auch,
warum das so war: Die Männer, die von den
Blasrohrgeschossen getroffen worden waren, begannen
sich langsam wieder zu rühren. Sie waren nicht tot, stellte
er erleichtert fest, sondern offenbar nur kurz bewußtlos
gewesen. Die Pfeile hatten kein Gift enthalten, sondern
nur ein Betäubungsmittel.

Er ging weiter und traf nach einigen Augenblicken auf
Singh, der soeben den reglosen Eingeborenen zu Boden
sinken ließ. Während er versuchte, ihn wachzurütteln,
fragte er: »Verfolgen sie uns?«
    Mike schüttelte den Kopf: »Nein. Anscheinend wollten
sie uns nur in die Flucht schlagen. Was waren das für
Männer?«
    »Keine Ahnung«, gestand Singh. »Und ich glaube fast,
ich will es auch gar nicht wissen. Sie waren... unheimlich.
«
    »Die Männer, die von den Eingeborenen niedergeschlagen wurden«, fügte Mike hinzu, »sind nicht tot, weißt du?
Ich konnte sehen, daß sie wieder aufstehen. « Er beugte
sich herab und zog nachdenklich einen der winzigen
gefiederten Pfeile aus dem kleinen Köcher, den der
Bewußtlose am Gürtel trug. »Ich dachte immer, diese
Dinger wären gefährlicher. «
    »Das sind sie auch«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Die
Spitzen sind in Curare getaucht, das tödlichste Gift der
Welt. «
    Mike und Singh fuhren im gleichen Moment herum und
sahen sich einem mittelgroßen, sehr schlanken Mann
gegenüber, der vollkommen lautlos aus dem Dickicht
herausgetreten war. Er ähnelte ein wenig den Gestalten,
auf die sie am Strand getroffen waren; auch er hatte
dunkles Haar und ein scharf geschnittenes Gesicht und vor
allem die gleichen dunklen und großen Augen. Aber der
Mann gehörte nicht zu den Fremden am Strand. Er trug
die dunkelblaue Uniform der deutschen Handelsmarine,
die schon ein bißchen mitgenommen aussah. Das mußte
wohl der Offizier sein, von dem sie im Logbuch des
untergegangenen Schiffes gelesen hatten.
    Mit einer raschen Bewegung trat er näher, nahm Mike
sehr behutsam den Pfeil aus der Hand und fuhr fort:
»Schon ein winziger Kratzer, und du bist tot, bevor du
auch nur deinen Namen buchstabieren kannst.

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