Die steinerne Pest
hier kunstvoll geflochtene Bastmatten, auf denen
Mike zwei reglos und offenbar schlafend ausgestreckte
Gestalten gewahrte. Ein gutes Dutzend weiterer Eingeborener stand im Halbkreis um eine Art gewaltigen, aus
Bambus und Palmblättern erbauten Thron, auf dem ein
uralter Mann mit einem prachtvollen Federkopfschmuck
saß. Als einziger hier war er nicht nur mit einem
Lendenschurz bekleidet, sondern trug einen kunstvoll
gewobenen Mantel.
Wahrscheinlich der Häuptling des Stammes, überlegte
Mike. Allmählich wurde ihm doch etwas mulmig zumute.
Er hatte damit gerechnet, zu Weisser gebracht zu werden,
und fragte sich nun, was er hier sollte. Außerdem waren
die Blicke, mit denen der alte Mann ihn und Singh
musterte, nicht unbedingt freundlich. »Keine Angst«,
sagte Singh. Mikes Besorgnis war ihm offensichtlich nicht
entgangen. Aber auch seine Stimme klang nervös, als er
fortfuhr: »Weisser hat gesagt, daß er mit dem Häuptling
über uns reden würde. « »Ja«, murmelte Mike. »Aber er
hat auch gesagt, daß diese Leute hier nicht besonders gut
auf Fremde zu sprechen sind. Wo bleibt er nur?« Einer der
Eingeborenen, die sie hergebracht hatten, versetzte Singh
einen Stoß, der ihn mehr auf den Thron des Häuptlings zu
stolpern ließ, als er ging. Mike beeilte sich, ihm zu folgen,
bevor ihm einer der Männer die gleiche Behandlung
zukommen ließ. Der alte Mann musterte ihn und Singh
sehr lange, und Mike begann sich unter seinem Blick noch
unwohler zu fühlen. Dabei hatte er eigentlich sehr
freundliche Augen und ein nicht unbedingt
unsympathisches Gesicht. Aber in seinem Blick war auch
etwas Lauerndes und eine kaum verhohlene
Feindseligkeit, so daß sich Mike innerlich zur Vorsicht
gemahnte. Weisser hatte ganz offensichtlich noch nicht
mit dem Häuptling über sie gesprochen; und wenn doch,
so nicht mit dem erhofften Ergebnis.
Nachdem er sie hinlänglich gemustert hatte, deutete der
Alte mit einer fordernden Geste auf Singh und begann
sehr schnell und mit schriller Stimme in seiner
unverständlichen Sprache auf ihn einzureden. Dabei wies
er immer wieder auf die schlafenden Gestalten am Boden,
und als Singh und Mike seiner Aufforderung offenbar
nicht schnell genug nachkamen, packte einer der Männer
Singh grob bei der Schulter und stieß ihn neben einer der
Bastmatten auf die Knie herab. Gleichzeitig erhob sich der
alte Mann von seinem Thron und kam mit kleinen,
mühsam trippelnden Schritten näher. Er redete
ununterbrochen und mit immer schriller werdender
Stimme, wobei er abwechselnd auf Singh, Mike und die
schlafende Gestalt auf der Bastmatte deutete.
»Seht Euch das an!« flüsterte Singh plötzlich. Obwohl er
sehr leise sprach, klang seine Stimme so entsetzt, daß
Mike ein eisiger Schauer über den Rücken lief und er
rasch näher trat. Sein Herz begann heftig zu pochen, und
ein zweites, noch eisigeres Prickeln lief sein Rückgrat
entlang, als er auf die reglose Gestalt vor Singh
hinabblickte.
Der Mann lag auf der Seite und war an Händen und
Füßen gefesselt, und in seinem Gesicht prankte eine große,
sehr häßlich verheilte Narbe. Er schlief nicht, wie Mike
anfangs vermutet hatte, sondern schien hohes Fieber zu
haben, denn er bewegte sich leicht, und manchmal kam
ein leises Stöhnen über seine Lippen. Das alles aber war es
nicht, was Mike so erschreckte:
Es war der Anblick seiner Arme. Seine schweißnasse
Haut hatte überall den goldbraunen Farbton der Eingeborenen, seine Arme jedoch waren vom Bizeps an abwärts
bis zu den Fingerspitzen hin grau. Die Arme des Mannes
waren versteinert! »Der arme Kerl muß der Flugscheibe zu
nahe gekommen sein«, murmelte Singh. »Wahrscheinlich
hat er sie berührt. «
»Aber wie kann das sein?« wunderte sich Mike. »Die
Männer am Strand haben sie doch auch angefaßt. Sie sind
sogar hineingegangen!«
Singh kam nicht zu einer Antwort, denn in diesem Moment versetzte ihm der Häuptling einen weiteren Stoß und
begann wieder mit schriller Stimme auf ihn einzureden.
Gleichzeitig deutete er erneut auf den fiebernden Mann
und auch auf den anderen, der auf der Bastmatte daneben
lag.
Mike betrachtete auch ihn. Sein Anblick war fast noch
schlimmer, doch ihm fiel auf, daß auch er an Händen und
Füßen gefesselt war und seine Haut dort, wo sie noch
nicht zu grauem Stein erstarrt war, eine Anzahl kleiner,
aber offensichtlich frischer Verletzungen aufwies.
Die Stimme des Häuptlings wurde immer schriller und
fordernder, und die Gesten, mit denen er sie begleitete,
immer herrischer. Die
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