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Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Krieger in seiner Umgebung begannen allmählich zu murren und sich unruhig zu bewegen.
Mike und Singh tauschten einen nervösen Blick. »Ich
verstehe nicht, was er von uns will«, sagte Mike. »Ich
glaube, ich schon«, antwortete Singh. »Offenbar erwartet
er, daß wir ihnen irgendwie helfen. « »Aber wie?«
murmelte Mike hilflos. Wie konnte er jemandem helfen,
wenn er nicht einmal wußte, was wirklich mit ihm los
war? »Wir können nichts für deine Brüder tun«, sagte
Singh langsam und sehr betont und mit einer übertrieben
ausgeführten Gestik, mit der er versuchte, dem Häuptling
die Bedeutung seiner Worte irgendwie klarzumachen.
Offenbar erreichte er jedoch eher das Gegenteil damit,
denn der alte Mann wurde immer zorniger und ballte nun
die Hand zur Faust, um sie drohend zu schütteln. Einer der
Krieger in seiner Begleitung hob seine Keule.
In diesem Moment erschien wie ein rettender Engel
Weisser unter der Tür der Hütte. Er wirkte sehr aufgebracht, und er fuhr den Häuptling in scharfem Ton an,
offenbar hatte er bereits gewußt, was hier vorging, noch
ehe er die Hütte betrat.
Der Häuptling drehte sich zu ihm herum und antwortete
im gleichen, schrillen Tonfall. Seine Augen sprühten vor
Zorn, und seine ganze Haltung verriet, daß er sich am
liebsten auf den Offizier gestürzt hätte. Auch einige seiner
Krieger scharten sich drohend um ihn, aber Mike fiel auch
auf, daß es längst nicht alle waren: Eine fast ebenso große
Anzahl von Männern stellte sich auf Weissers Seite, und
etliche schienen noch unentschlossen und sahen immer
wieder verwirrt von dem alten Mann zu Weisser und
zurück.
Der Offizier trat mit ein paar raschen Schritten zwischen
Mike, Singh und den Häuptling. Ohne den Alten aus den
Augen zu lassen, sagte er, nun wieder auf englisch:
»Keine Sorge, ich lasse nicht zu, daß er euch etwas antut.
«
»Ich... ich verstehe nicht, was er will«, sagte Mike hilflos. »Wir können nichts für diese Leute tun. « »Ich weiß«,
antwortete Weisser. Er machte eine befehlende Geste, still
zu sein, und wandte sich dann wieder an den Häuptling.
Der alter Mann wurde immer zorniger. Er schüttelte
wütend die Fäuste und deutete immer wieder auf Mike,
Singh und die beiden reglosen Gestalten am Boden, und
Weisser antwortete in ebenso scharfem, trotzdem aber
merklich ruhigerem Ton. Obwohl Mike kein Wort
verstand, begriff er doch sehr wohl, daß zwischen den
beiden ein Streit im Gange war, der möglicherweise über
ihr Leben entscheiden konnte. Nachdem sie sich eine
geraume Weile gegenseitig angriffen hatten, beendete
Weisser die Auseinandersetzung, indem er auf eine
Gruppe von Eingeborenenkriegern vor der Tür wies und
dann auf die beiden Männer am Boden.
Die Eingeborenen setzten sich gehorsam in Bewegung,
blieben aber sofort wieder stehen, als der Häuptling sie
anfuhr. Weisser wiederholte seinen Befehl, und sie kamen
zögernd wieder näher. Das Spielchen wiederholte sich
noch drei- oder viermal, bis die Männer schließlich die
beiden Kranken hochhoben und rasch aus der Hütte
trugen. Mike fiel auf, daß sie sorgsam darauf achteten, ihre
zu Stein gewordenen Körperteile nicht zu berühren.
»Kommt mit«, sagte Weisser ohne jede Hast. »Und ganz
ruhig. Zeigt auf keinen Fall Unsicherheit oder Angst. «
Das war leichter gesagt als getan. Mike konnte fast körperlich fühlen, wie angespannt die Atmosphäre war. Ein
einziges falsches Wort, vielleicht nur ein falscher Blick,
und es würde zu einer Katastrophe kommen. Aber
irgendwie gelang es ihm, sich seine Furcht nicht anmerken
zu lassen und ganz ruhig hinter Weisser und Singh aus der
Hütte zu treten.
Als sie sich einige Schritte entfernt hatten, atmete
Weisser hörbar auf, und ein erleichterter Ausdruck erschien auf seinem bisher so scheinbar ruhig gebliebenen
Gesicht. »Das war knapp«, sagte er. »Wenn ich nur einen
Moment später gekommen wäre... « Er führte nicht aus,
was dann vielleicht passiert wäre, aber das war auch nicht
nötig, Mikes Phantasie reichte durchaus, es sich
auszumalen.
»Was war denn da drinnen los?« wollte Singh wissen.
»Wieso war der Häuptling so aufgebracht?« »Er ist nicht
der Häuptling«, erwiderte Weisser. »Der Häuptling war
einer der ersten, der der Steinpest zum Opfer fiel. Der Alte
ist der Medizinmann des Stammes. « »Er macht nicht
unbedingt den Eindruck, als ob er Ihr bester Freund wäre«,
sagte Mike. Weisser lächelte flüchtig. »Er hat Angst vor
mir«, sagte er. »Und er haßt mich. Ich bringe seine
Position

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