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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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waren, wollte er Chin zur Rede stellen, fassungslos darüber, dass sie ihm einen falschen Reisepass besorgt hatte. Die Asiatin ignorierte jede seiner Fragen und steuerte zielstrebig auf die Passkontrolle zu. Er war so wütend, dass ihm dies erst bewusst wurde, als es schon zu spät war. Eine Umkehr ohne Aufsehen war nicht mehr möglich. Er
    musste an dem Grenzpolizisten vorbei.
    Der Scanner beleuchtete das Dokument nur für zwei Sekunden, aber für ihn verging eine Ewigkeit. Ihm wurde schlecht und der dumpfe Kopfschmerz, der ihn seit seinem unfreiwilligen Ausflug in die Rems stets begleitete, wurde augenblicklich stärker. Jeden Moment geht der Alarm los und innerhalb einer Minute liege ich mit über dem Kopf verschränkten Armen, bäuchlings auf dem Boden. Umringt von vermummten GSG-9-Beamten in voller Kampfmontur, die mich mit Maschinenpistolen in Schach halten, während der Flughafen weiträumig abgeriegelt wird. Aber nichts von alldem passierte. Der Uniformierte drückte ihm den Reisepass in die Hand und wünschte eine gute Reise.
    „Die ganze Aufregung umsonst“, meinte Chin aufmunternd, als sie durch die Ausreisekontrolle war und zu ihm aufschloss. Immer noch bestürzt hielt er es vorerst für besser, zu schweigen. Im Wartebereich vor dem Gate bestellte er einen doppelten Whisky auf Eis und spülte damit zwei weitere Aspirin hinunter. Die feurige Flüssigkeit löste den Knoten in seinem Magen langsam auf und vertrieb die Übelkeit. Chin legte ihre Hand auf seinen Arm. Er verkniff sich den Impuls, sie wegzustoßen, und orderte stattdessen noch einen Tullamore Dew. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Allen voran die Frage, woher die Asiatin den falschen Pass hatte. Eine brillante Fälschung, wenn nicht einmal der Scanner des Grenzschutzes sie als solche erkannten. Es war ihm unbegreiflich. Die Vietnamesin musste das Dokument besorgt haben, als er sein Abenteuer mit der Punklady hatte. Kurz dachte er an die abgerissene, junge Frau, die jetzt wahrscheinlich in seiner Wohnung saß und sich den Verhören von Kommissar Meinhans erwehren musste.
    Ein blecherner Boarding-Aufruf vertrieb den Gedanken. Kaum war die Lautsprecherstimme verstummt, quälten ihn erneut Fragen, auf die er keine Antworten fand: War es überhaupt möglich, so schnell eine gute Fälschung zu bekommen? Wann hatte die Vietnamesin für ihn das Flugticket bestellt? Da auch dieses auf den Namen Frank Müller ausgestellt war, musste sie das alles schon vor ein paar Tagen geplant haben. Sie würde ihm einiges erklären müssen. Momentan fühlte er sich allerdings nicht in der
    Lage, sie zur Rede zu stellen, dazu war er zu aufgewühlt. Aber es wartete ein langer Flug auf sie beide. Erschien es erst unmöglich, jemals durch eine Grenzkontrolle zu kommen, so hatte sich herausgestellt, dass seine Begleiterin diesbezüglich professionelle Vorsorge getroffen hatte. Doch statt ihr dankbar zu sein, verspürte er Misstrauen. Seit ihrer ersten Begegnung hatte Chin ihm bewiesen, dass sie über hervorragende Beziehungen verfügte, die ihr die eine oder andere Tür öffnete. Aber die Beschaffung von falschen Papieren war ein anders Pfund, als gute Verbindungen spielen zu lassen. Das war kriminell und er hatte sich einst geschworen, nie wieder in verbrecherische Handlungen verwickelt zu werden. Andererseits steckte er so tief in der Tinte, wie nie zuvor. Chins Hilfestellung mochte illegal sein, aber sie würde ihn womöglich retten. Er kippte den Whisky hinunter und sah sie an. Ihr Blick war sanft und freundlich, wesentlich entspannter, als noch am Morgen, aber leicht glasig. So, als hätte sie etwas genommen. Was hast du für ein Problem, Frau Doktor?
    Aus einem Impuls heraus, sagte er ihr, dass er noch auf die Toilette müsse und ließ sie an der Flughafenbar stehen. Ihm war eingefallen, dass kein Mensch wusste, dass er im Begriff war nach Bangkok und Laos zu reisen. Plötzlich verspürte er das dringende Bedürfnis seine Reisepläne jemanden mitzuteilen. Eilig ging er zu einem der Wandtelefone, die im Gang gegenüber den Toiletten hingen und von der Wartelounge nicht einsehbar waren. Wen sollte er anrufen? Seine Mutter? Sylvia? Lockmann? Von den Telefonnummern, die er ihm Kopf hatte, schien ihm keine geeignet zu sein, daher wählte er die Nummer der Auskunft und ließ sich mit der Redaktion der Waiblinger Kreiszeitung verbinden. Binnen einer halben Minute fragte er sich bis zum Anschluss von Horst Schwarz durch. Zu seiner Überraschung meldete sich eine

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