Die Steinernen Drachen (German Edition)
ihm diese Aktion ein, außer noch mehr Ärger? Schwerfällig zog er sich am Küchenregal hoch. Die junge Frau kauerte bedauernswert auf dem Steinfußboden, immer noch die leere Bierflasche in der Hand. Er nahm sie ihr ab und half ihr hoch. „Wir müssen hier weg. Ich muss
für ein paar Tage verreisen. Solange kannst du meine Wohnung benutzen.“
Er konnte die Worte selbst kaum glauben, die da aus seinem Mund sprudelten, zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und sagte ihr die Adresse und wie sie dorthin gelangte. Ihre grünen Augen wurden groß, auf ihrem malträtierten Gesicht zeigte sich ein Lächeln, soweit es die Wunden zuließen.
„Ruh dich aus. Keine Partys, keine Sauf- und Drogengelage und lass den Fernseher stehen, falls du verschwindest. Verstanden?“
Sie nickte und nahm, immer noch ungläubig blickend, den Schlüssel an sich.
„Außerdem wirst du Besuch von den Bullen bekommen. Ein Kommissar Meinhans wird sicher nach mir fragen. Sag ihm, ich bin hinter der Wahrheit her und dass ich ihm Bericht erstatte, wenn ich zurückkomme.“ Falls ich zurückkomme , dachte er im Stillen.
Nachdem er in Chins Appartement zurückkam, fand er die Wohnung leer vor. Die Vietnamesin kam spät, sah blass und müde aus. Schweiß stand auf ihrer Stirn, die Wangen wirkten eingefallen, ihre Bewegungen waren steif. Ihre gesamte Erscheinung ließ vermuten, dass sie unter körperlichen Schmerzen litt. Sie ignorierte seine besorgte Miene und ging nicht auf seine bohrenden Fragen ein. Wie um von sich selbst abzulenken, beklagte sie sich über mehrere unbeantwortete Anrufe und wollte umgehend wissen, wo er sich herumgetrieben hatte. Ihr Tonfall wies dabei eine nicht überhörbare Schärfe auf.
Perplex über ihre harsche Intonation, rutschte ihm heraus, dass er in Stuttgart war. Ihr Blick verfinsterte sich noch mehr und er fühlte sich zu einem Geständnis genötigt. Frank reduzierte seinen Bericht auf ein Minimum und ließ alles weg, was sie zusätzlich aufregen könnte, versuchte ihr nur verständlich zu machen, wie wichtig es war, nochmals mit Wiegand zu sprechen, stieß aber auf keine Einsicht. Den Besuch bei Ilka erwähnte er nicht. Als Chin sich etwas beruhigt zu haben schien, schlossen sie ihre Reisevorbereitungen ab. Die Ethnologin schilderte ihm in groben Zügen den Verlauf der Reise, zeigte ihm auf den Landkarten, wie es von Bangkok aus weitergehen sollte und wo ihr Ziel lag. Während der ganzen Zeit bewahrte sie eine deutliche, physische Distanz zu ihm und vermied jegliche Berührungen.
Sein Kopf, ohnehin voll von den jüngsten Ereignissen, nahm dies nur unbewusst wahr. Zudem war er gefordert, sich auf ihre Ausführungen zu konzentrieren, was ihm mit vorrückender Stunde zunehmend schwerer fiel. Allem Anschein nach, nahm er nach dem Unfall zu viel Schmerzmittel, um seine angeknackste Rippe und die übrigen Prellungen ertragen zu können. Letztlich schlief er irgendwann auf dem Sofa ein. Chin, die nicht sonderlich erholt aussah, weckte ihn erst morgens. Ein Blick in ihr Gesicht erübrigte die Frage, wie sie in der Nacht geschlafen hatte.
Teil 2: Südostasien
Thai-Airways Flugnummer 4736
6. Juli 2003
Zeitig brachen sie nach München auf und legten den Weg eher schweigsam zurück. Mit jedem Kilometer, den Chins Wagen auf der A8 Richtung Osten in sich hineinfraß, schwand sein Optimismus über eine erfolgreiche Ausreise. Sicher hatte Kommissar Meinhans mittlerweile die bundesweite Fahndung veranlasst.
Der Grenzbeamte am Schalter sah ihn misstrauisch an. Der Blick des Mannes blieb an der gelb-grün verfärbten Partie um sein rechte Jochbein herumhängen, die immer noch eine leichte Schwellung aufwies. Der Beamte nahm den Reisepass entgegen und blätterte ihn auf.
„Wo soll’s hingehen?“, fragte er und legte den Pass auf den Scanner.
„Bangkok“, antwortete er wahrheitsgemäß und sah sich hilfesuchend nach der Vietnamesin um, die direkt hinter ihm in der Schlange stand. Sie hatte ihm den Pass kurz vor dem Einchecken in die Hand gedrückt.
Der Ausweis war nagelneu und auf den Namen Frank Müller ausgestellt. Bevor er protestieren konnte, waren sie an der Reihe gewesen, ihr Gepäck abzugeben. Neben den Flugtickets wollte die freundliche, junge Frau am Check-in-Counter auch den Reisepass sehen. Nach einem auffordernden Kopfnicken seitens seiner Begleiterin hatte Frank ihn widerwillig vorgelegt, worauf er gefragt wurde, wo er gern sitzen möchte.
Nachdem sie ihre Taschen losgeworden
Weitere Kostenlose Bücher