Die Steinernen Drachen (German Edition)
der Jeans trocken. „Ich hasse es, wenn es auf Toiletten nur diese Heißlufttrockner gibt und keine Papiertücher. Mit diesen Föns krieg’ ich die Finger nie richtig trocken“, brabbelte er vor sich hin.
„Wo bleibst du? Der Flug wurde schon mehrmals durchgesagt. Die warten nicht auf uns“, fauchte ihn die Asiatin an.
„Ich hab’s gehört. Nur keine Panik.“
Von einer Sekunde auf die andere war er allein, hatte niemanden mehr, dem er vertrauen konnte. Mit schnellen Schritten folgte er der Frau, die von einer Minute auf die andere eine Fremde geworden war. Am Gate wartete ein freundlich grinsender Steward und nahm ihre Bordkarten entgegen. Sieben Minuten später saßen sie im Flugzeug und legten ihre Gurte an. Für Frank gab es kein Zurück mehr.
Bangkok
7. Juli 2003
Die Maschine der Thai-Airways landete um 10 Uhr Ortszeit auf dem Don Muang Bangkok International Airport. Schwere Monsunwolken hingen schwarz und bedrohlich über der 9-Millionen-Stadt am Chao Phraya. Die Regenzeit war in vollem Gange. Die Temperatur lag bei 33 Grad, die Luftfeuchtigkeit über 90 Prozent. Kurz gesagt, die Hölle für jeden Mitteleuropäer.
Der zehnstündige Flug war für Frank zur Tortur geworden. Obwohl der Service des Flugpersonals hervorragend war, drei relativ aktuelle Kinofilme gezeigt wurden und das Essen überraschend gut schmeckte, hatte er arge Probleme. Zum einen wurde es für ihn immer unerträglicher, an seinen Sitz gefesselt zu sein. Bald gab es keine Stelle mehr an seinem Körper, die nicht wehtat und an Schlaf war, trotz Schmerztabletten, nicht zu denken. Zum anderen saß eine Frau neben ihm, die er noch kurz vor dem Abflug zu kennen geglaubt hatte. Seine neue Erkenntnis wollte er ihr gegenüber nicht preisgeben, doch fiel es ihm immer schwerer, sich zu verstellen, je länger der Flug dauerte. Er betrachtete es als seinen persönlichen Vorteil zu wissen, dass die Asiatin neben ihm nicht Doktor Chin Ngo, nicht die vertrauenswürdige Freundin war, die sie vorgab zu sein. Lass sie in dem Glauben, dass du ahnungslos bist! Spiel deine Rolle! Nur so würde es ihm gelingen herauszufinden, wer sie tatsächlich war und vor allem, für wen sie arbeitete.
Es kostete ihn unglaubliche Überwindung, weiterhin unbefangen mit ihr zu reden. Er hatte Angst, sich zu verraten. Ein Zittern in der Stimme, ein nervöses Blinzeln, wenn er ihr in die Augen sah, Schweißperlen auf der Nase, schon würde er sich verdächtig machen. Um alldem zu entgehen, tat er über weite Strecken so, als schliefe er, ohne auch nur für eine Sekunde wirklich Ruhe zu finden. Schwarz’ letzte Worte hallten noch in seinen Ohren: »Erinnerst du dich, wie du mich im Café über Laos befragt hast? Kurz nachdem du weg warst, musste ich pinkeln. Als ich zu meinem Platz zurückkam, war mein Block weg, auf dem ich dir Doktor Ngos Telefonnummer notiert hatte. Daher wussten sie, an wen du dich wendest. Hoffentlich ist der armen Frau nichts passiert ...«
Sie haben die echte Ngo gegen die junge Asiatin ausgetauscht, die jetzt neben ihm saß und bislang ihre Rolle perfekt beherrschte. Darum waren ihm seine Gegner bisher immer einen Schritt voraus gewesen. Diese Schmierenkomödie war nun vorbei. Unerwartet hatte er jetzt die besseren Karten in der Hand. Aber er war ein schlechter Bluffer und hoffte, das Spiel so lange wie möglich offen halten zu können.
Der Flug wollte kein Ende nehmen. Der Hinweis des Piloten auf den Sinkflug und das Aufleuchten der Anschnallzeichen, war für ihn eine Erlösung. Der böige Wind, der beim Landeanflug an der großen Maschine rüttelte, störte ihn nicht im Geringsten. Immer vorausgesetzt, er stieß nicht ungewollt mit seiner lädierten Rippe gegen die Armlehne. Andererseits half ihm der Schmerz, einen klaren Kopf zu behalten. Die baldige Aussicht, aus diesem Sitz zu entkommen, machte ihn gegenüber den Widrigkeiten des Wetters und den Turbolenzen unempfänglich.
Das änderte sich, als sie aus dem klimatisierten Flughafenkomplex ins Freie traten. Kaum war die Schiebetür auseinandergeglitten, traf ihn die volle Wucht der feuchttropischen Atmosphäre. Während die falsche Doktor Ngo ein Taxi herbei winkte, rang er nach Sauerstoff.
Thailands Hauptstadt war ein Moloch, der in Schmutz, Smog und Verkehrschaos erstickte und genauso schmeckte die Luft, die sich in seine Atemwege fraß. Er fühlte einen unangebrachten Schwindel aufkommen und war froh, in einem Taxi zu sitzen. Das Taxi war ein alter Toyota Corolla, dessen
Weitere Kostenlose Bücher