Die Steinernen Drachen (German Edition)
jeweiligen Farben der jeweiligen Erdölkonzerne. Containerverladekräne reckten ihre rostigen Arme in den grauen Himmel. Auf dem braunen Wasser des Chao Phraya schimmerten fußballfeldgroße Ölteppiche in allen Regenbogenfarben.
Flussabwärts waren es knapp 20 Kilometer bis zum Golf von Thailand. Am Horizont flimmerte das Chinesische Meer. Will nahm die erste Ausfahrt zum Hafen und verringerte die Geschwindigkeit. Im Rückspiegel suchte er Ilkas Augen, die noch immer ihr Mobiltelefon ans Ohr hielt, und wartete auf eine Richtungsangabe. „Rechts. Harry wartet bei den ersten Containern“, gab sie
ihm zu verstehen.
Der Wagen schlingerte erneut durch das heftige Anfahren und jagte die Kaimauer entlang. Kleinwüchsige, jedoch stämmige Asiaten mit ölverschmierten Gesichtern und Bauhelmen auf ihren runden Köpfen, gestikulierten wild mit den Armen, als der Mercedes an ihnen vorbeiraste. Ein Gabelstapler wurde zu einer Vollbremsung gezwungen und verlor eine Holzkiste, die beim Aufschlag in zwei Teile brach und ihren Inhalt auf den rußgeschwärzten Asphalt spuckte. Was es war, konnte Frank aber nicht mehr erkennen, denn der Wagen schoss bereits um das nächste Hindernis.
Der schwarze CIA-Mann hielt mit qualmenden Reifen neben der ersten Reihe von aufeinander getürmten Containern, die mit Labeln und Schriftzügen aus aller Welt versehen waren. Bevor der Geruch von verbranntem Gummi ins Wageninnere dringen konnte, saß Harry schon neben Frank im Fond und bellte ein paar unverständliche Anweisungen. Will gab aufs neue Vollgas und lenkte den Mercedes weiterhin halsbrecherisch durch das geschäftige Treiben am Hafen, bis der Asiat auf der Rückbank ein eindeutiges „Stopp!“ brüllte.
Sie kamen hinter einer weiteren Zeile von Containern zum Stehen. Alle blickten gespannt auf Harry. „Zwischen den zwei großen Frachtern liegt ein kleinerer Trawler, der unter vietnamesischer Flagge fährt. Auf dem ist die Zielperson vor zehn Minuten verschwunden. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass der Kahn demnächst auslaufen wird. Ich habe einen Mann im Hafenbüro sitzen, der mich anruft, wenn es soweit ist“, klärte er die anderen auf.
„Haben wir ein Boot draußen?“, fragte Ilka.
„Alles geregelt“, erklärte Ian, der während der Fahrt einen Laptop aus einer Tasche gezogen hatte und jetzt mit seinen klobigen Händen darauf herumhackte. „Die warten an Pier 21 und nehmen uns an Bord.“
„Ich gebe euch Bescheid, wenn sich was tut“, sagte Harry und stieg wieder aus dem Wagen. Er hatte die Tür noch nicht zu, als ihn der Lkw erfasste und gegen den Daimler quetschte. Sein Kopf zerplatzte wie eine reife Melone, als ihn der mächtige Kühlergrill traf. Die hintere Seitenscheibe des Mercedes wurde von einem Blutfilm überzogen, ehe sie zersprang und die Glassplitter in den Innenraum regneten.
Der Lastwagen, der urplötzlich zwischen zwei Containern hervorgeschossen war, schob den Wagen der CIA-Leute einige Meter über den Kai und rammte ihn dann gegen den Stahlfuß eines Verladekrans. Ilka wurde heftig gegen Frank geschleudert und stieß einen spitzen Schrei aus. Er bekam den Türgriff ins Kreuz und jaulte wie ein Hund, dem man auf den Schwanz getreten war. Unverzüglich flammte der Schmerz an seiner lädierten Rippe wieder auf. Doch es blieb keine Zeit, um darüber nachzudenken. Das Fahrzeug gab ein beunruhigendes, metallisches Knirschen von sich, immer lauter, je mehr es gegen das Stahlgerüst des Krans gedrückt wurde. Das Dieselaggregat des Lastwagens heulte entschlossen unter der bulligen Motorhaube. Der Beifahrerairbag im Mercedes sprang auf, schlug Ian ins Gesicht und erstickte damit dessen fäkallastige Flüche. Gleichzeitig verabschiedete sich auch das Fenster der Beifahrertür und Glasgeschosse bohrten sich in Ians linke Gesichtshälfte.
Will, der seine Sonnenbrille verloren hatte und etwas benommen wirkte, legte den Rückwärtsgang ein und versuchte den Wagen aus der tödlichen Umklammerung zu befreien. Metall rieb sich an Metall und das mahlende Geräusch wurde ohrenbetäubend. Der Kofferraumdeckel sprang auf und die Heckscheibe explodierte in Millionen kleine Diamanten. Die linke Seite wurde immer weiter ins Wageninnere gedrückt und mit ihr die Überreste von Harry, der zwischen der Stoßstange des Lkws und der B-Säule des Mercedes klemmte und dabei wie eine vom Sturm gebeutelte Vogelscheuche aussah.
Von rechts presste sich der Stahlfuß des Verladekrans gegen die Fahrertür, die sich zusehends
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