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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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sah auf die Uhr, die ihm sagte, dass es Viertel vor sieben war. Für seinen Körper war es somit nicht mal ein Uhr nachts. Eine Zeit, zu der er vor einer Woche in der Regel noch zwei Stunden Arbeit vor sich hatte, bevor er ins Bett kam. Die Müdigkeit hing bleischwer an ihm und presste ihn in die Matratze. Gefühlsmäßig hatte das kurze Nickerchen nur wenige Minuten gedauert. Tatsächlich hatte er fünf Stunden geschlafen. Zu wenig, wenn er bedachte, dass er vorher etwa 36 Stunden am Stück wach gewesen war, unterm Strich ein erhebliches Schlafdefizit.
    Er wälzte sich aus dem Bett und trottete ins Bad, direkt unter die Dusche. Das auf lauwarm regulierte Wasser half ihm dabei, etwas klarer zu werden. Nach dem Abtrocknen verarztete er sich erneut mit der Heilsalbe. Über Nacht hatte sich wieder ein leichtes Ziehen im Brustbereich ausgebreitet, dem er schnell vorbeugen wollte. Diesmal nahm er wohlweislich weniger Salbe und verteilte sie auf den blauen und grünen Stellen. Das Brennen setzte umgehend ein. Rasch zog er sich an. In seiner Jacke fand er die Pistole, betrachtete sie angewidert und packte sie mit dem Rest seiner Sachen in die Tasche. Zehn Minuten nach sieben war er fertig.
    Abgesehen von Harry, saß das komplette Einsatzteam am Frühstückstisch. Sechs Augenpaare verfolgten ihn, bis er Platz genommen hatte. Es gab Reis mit Gemüse und diverse Früchte. Nichts, was ihn anmachte, also begnügte er sich mit Kaffee und einem trockenen Stück Toast. Niemand sagte ein Wort, alle verweilten in tiefer Konzentration oder Meditation, wenn man das asketische Essen in die Beobachtung miteinbezog.
    Er machte keinen Hehl aus seiner keimenden Ungeduld. Frank wollte endlich wissen, was los war und wie es weitergehen sollte. Ehe er seine Frage im Kopf ausformuliert hatte, klingelte ein Handy.
    Will holte mit einer fließenden Bewegung das Mobiltelefon aus einer Tasche seiner Cargohose. Ilka und Ian hörten auf zu essen. Auf ein Nicken des Schwarzen ließen sie ihr Besteck fallen. „Die Ratte geht auf Reisen“, erklärte Will, nachdem er aufgelegt hatte.
    Fünf Minuten später waren sie im Wagen und fuhren aus der Tiefgarage. Ilka und er teilten sich die Rückbank. Noch immer hatte man ihn nicht darüber in Kenntnis gesetzt, was nun folgen würde. Bangkoks Straßen waren wie am Vortag mit Lastwagen, Autos, Fahrrädern und anderen verkehrswilligen Vehikeln vollgestopft. Der Himmel war klar und nahezu wolkenlos und das Thermometer kletterte schon zu dieser frühen Stunde auf über dreißig Grad. Abermals piepste ein Handy. Diesmal ging Ilka ran. „Er fährt nicht zum Flughafen“, sagte sie und Will, der wieder am Steuer saß, nickte. Trotz des klimatisierten Innenraums hatte er Schweißperlen auf seiner Glatze.
    „Wohin?“, fragte sie in das Telefon. Dann entstand eine kurze Pause. „Mahanakhon Expressway“, wiederholte sie die Worte aus dem Handy.
    „Zum Hafen“, brabbelte Ian nach hinten.
    Frank war sich nicht sicher, ob dies eine Frage oder Feststellung sein sollte. Ohne Vorwarnung schnitt Will einen anthrazitfarbenen Lexus auf der linken Spur, um die nächste Ausfahrt zu erwischen. Dadurch wurde er gegen Ilka geschleudert. Der Daimler schlingerte kurz. Hinter ihnen war das schrille Pfeifen einer Vollbremsung zu hören. Der Schwarze fing den Wagen ab und jagte ihn mit quietschenden Reifen in eine enge Linkskurve – keine Handbreit an der hüfthohen Betonmauer entlang, welche die Fahrbahn begrenzte.
    Frank klammerte sich an den Sitz und richtete sich auf.
    „Nervös?“, schnurrte Ilka und legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel. Mit der anderen hielt sie weiterhin das Mobiltelefon ans Ohr.
    Er starrte auf ihre dunkelgrün lackierten Fingernägel, die sich leicht in den hellen Leinenstoff seiner Hose gruben.
    „Wo fahren wir hin?“, erkundigte er sich.
    „Khlong Toey, Bangkoks Hafen. Jedenfalls ist Kham dorthin unterwegs“, klärte sie ihn auf.
    „Will er mit dem Schiff nach Laos?“, fragte er und hatte im selben Moment das Gefühl, dass es eine dämliche Frage war.
    Ilka zeigte ihr Raubtierlächeln. Ian auf dem Beifahrersitz grunzte. „Wir wissen es nicht, daher beschatten wir ihn. Fakt ist nur, dass er in die Heimat will und wir ihn nicht verlieren sollten. Er ist unser Mann“, erklärte Will, rückte seine Sonnenbrille zurecht und drückte das Gaspedal noch weiter durch.
    Vom Expressway aus konnte man den Fluss sehen. Dazwischen lagen hässliche, graue Industrieanlagen, Lagerhallen und Öltanks in den

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