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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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durchrüttelte.
    Die Sonne stand hoch am Himmel und hatte die grauen Regenwolken vertrieben. Er kauerte an der Reling und war in eine Art Dämmerzustand gefallen, seit sie an Bord waren. Auf seiner Stirn klebte ein dickes Pflaster und in seinem Magen blubberten die Schmerztabletten. Beide Hände waren mit Mullbinden umwickelt, die Fingerspitzen gelb von einer Jodtinktur. Das Atmen machte ihm große Mühe. Irgendwer hatte ihn verarztet und versichert, dass keine Rippen gebrochen waren. Der Diagnose schenkte er keinen Glauben, zu heftig war der Schmerz. Seine Gedanken kreisten unentwegt um die Geschehnisse am Hafen und er hatte immer noch das Rattern der Maschinenpistole in den Ohren. Es hallte geisterhaft in seinen Gehörgängen wider. Gelegentlich spritzte ihm Flusswasser ins Gesicht, was ihn daran hinderte, einzuschlafen. Er war müde, unendlich müde, fühlte sich kraftlos und hatte kaum noch Hoffnung, dies weiter durchzustehen.
    Die Gischt und das Geschaukel hielten ihn wach, sorgten aber nicht dafür, dass er klare Gedanken fand. Klare Gedanken! Sie blieben aus, seit der wahre Schrecken begonnen hatte. Wohin hatte ihn die Liebe zu Lea nur gebracht? An welch befremdliche Orte und in wessen tödliche Hände? Hatte ihn tatsächlich Liebe hierhergeführt? Rechtfertigte sie die erlittenen Strapazen? Gab es dieses Gefühl überhaupt noch und hatte es je existiert? Fragen, die er nicht beantworten konnte. Plötzlich wusste er nicht mehr, was ihn antrieb, weiterzumachen. Vielleicht der Drache? Das Geheimnis des Drachen?
    Auf der anderen Seite des Kabineneingangs sah er Ilka sitzen, ebenfalls mit verbundenen Händen. Sie starrte unentwegt aufs Wasser. Woran denkst du, meine schöne Agentin?
    Frank nahm an, dass sie dem Schiff folgten, auf dem sich Kham befand. Zwei CIA-Agenten waren bereits tot und trotzdem machten sie weiter, als wäre nichts geschehen. Immer und jederzeit im Einsatz, die gefallenen Kameraden zurücklassend. Verluste waren zu vermelden, aber der Krieg ging weiter. Keine Zeit für Trauer. Ohne zu fragen, hatten sie ihn auf dieses Boot geschleppt, um die Mission nicht noch weiter und unnötig zu verzögern. Die Zielperson durfte nicht aus den Augen verloren werden. Das verstand er, konnte es aber nicht akzeptieren. Er war kein Soldat, sondern Barkeeper - und in einem früheren Leben Restaurator und Kunstmaler. Es lag weit zurück. Die letzten zwei Wochen waren die längsten in seinem Leben geworden und hatten den Begriff Ewigkeit neu definiert – und nicht nur diesen. Auch bisher bekannte Phänomene wie Schmerzen, Schrecken, Angst und Grausamkeit, hatten andere Dimensionen angenommen. Die Welt, wie er sie unlängst kannte, war nicht mehr dieselbe und würde es nie mehr sein. Im wechselhaften Spiel des Lebens hatte er einen höheren und weitaus schwierigeren Level erreicht, von dem er nicht mehr herunterkommen würde. Im Moment zweifelte er stark daran, ihn zu meistern.
    Ilka sah zu ihm herüber. Ihre Augen hatten einen Teil ihres Glanzes verloren. Das leuchtende Grün war nun  ine Nuance dunkler. Das Grauen der Wirklichkeit hatte einen trüben Schleier über ihre Seele gelegt, der sich auf den Pupillen widerspiegelte. Ihn war klar, dass sie durch den Job öfters mit dem Tod konfrontiert wurde und ihr Leben in Gefahr brachte. Hast du dabei jedes Mal einen Teil deiner Seele eingebüßt? Es konnte nicht anders sein, denn der Hauch des Todes ging an niemanden spurlos vorbei. Er raffte sich auf und schwankte zu ihr hinüber.
    „Wie geht es dir?“, fragte sie ihn, nachdem er sich ächzend neben sie gesetzt hatte.
    „Es geht mir so, wie ich aussehe!“
    Die Agentin nickte und strich ihm über die Wange. Der Geruch von Desinfektionsmittel stieg ihm in die Nase und er spürte den kratzigen Verband ihrer Hand. Sie sah seinen Blick. „Ich werde wohl eine Weile beim Schießen die Zähne zusammenbeißen müssen. Gott sei Dank haben die Glassplitter keine Sehne verletzt.“
    „Glaubst du dem Kerl, der uns verarztet hat?“
    „Er ist ausgebildeter Sanitäter. Warum sollte ich zweifeln?“
    Frank zuckte mit den Schultern. „Wo fahren wir hin?“
    „Es sieht so aus, als würde der Trawler Chon Buri anlaufen. Das ist die nächst größere Stadt, die direkt am Meer liegt. Von dort könnte Kham einen Flug nach Vientiane nehmen. Wir werden sehen.“
    „Warum ist er nicht ab Bangkok geflogen?“
    „Kleines Verwirrspiel! Wir mussten schmerzhaft erkennen, dass es Kham nicht verborgen blieb, dass wir ihn beschatten.

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