Die Steinernen Drachen (German Edition)
verformte. Die Drehzahl des Daimlers erreichte seinen Grenzbereich. Die dröhnenden Motoren, das schrille Kreischen der Reifen und das metallische Heulen übertönten den hektischen Wortwechsel der CIA-Leute. Wie durch ein Wunder griffen plötzlich die durchdrehenden Pneus und das Auto machte einen Satz nach hinten. Beide Kotflügel wurden abgerissen und vollführten einen Doppelsalto, bevor sie gegen den Lastwagen schlugen, der wiederum ungebremst gegen den Pfeiler des Krans krachte.
Vom Aufprall überrascht, flog der Fahrer des Lkws durch die Windschutzscheibe und wurde gegen den Stahlträger katapultiert. Er landete auf dem, was von dem CIA-Agenten Harry übrig geblieben war und nicht mehr am Lastwagen klebte. Das Ungetüm von Lastenkran zitterte bedenklich über ihren Köpfen. Der Container am Haken schaukelte gefährlich. Will hämmerte seinen Armeestiefel aufs Gaspedal und raste rückwärts aus der Gefahrenzone.
Frank sah noch einen weiteren Mann aus dem Führerhaus des Lastwagens springen, dann bog der Mercedes um eine Ecke und angrenzende Container schoben sich in sein Sichtfeld. Ian kämpfte immer noch mit dem Airbag. Der Schwarze trat auf die Bremse, so dass alle in ihre Sitze gepresst wurden. Der Wagen stand. Metall knackte und ringsum stieg Qualm auf.
„Raus hier“, brüllte Ilka. Die Türen des Mercedes waren durchwegs zu verformt, als dass sie sich öffnen ließen, selbst, als sie sich mit aller Kraft dagegen stemmten oder mit den Füßen traten. Ungeachtet der Glassplitter krabbelten er hinter Ilka durch das Loch in der Heckscheibe. Ein Gemisch aus Schweiß und Blut lief ihm in die Augen. Bei jedem Atemzug gab es einen Stich in seinem Brustkorb. Er biss die Zähne zusammen und blieb wankend neben der Agentin stehen.
Beide richteten ihren Blick auf das, was von dem Fahrzeug
übrig geblieben war. Ian zwängte seinen Körper am Airbag vorbei, kletterte durch die nicht mehr vorhandene Seitenscheibe, und plumpste aus dem Auto. Keuchend blieb er auf dem Rücken liegen. Will fand keinen Weg mehr hinaus, bevor die erste Salve aus der Maschinenpistole in den Wagen einschlug.
Der zweite Mann aus dem Lastwagen war mittlerweile bis auf zehn Meter an das Autowrack herangelaufen und feuerte darauf. Die Stahlmantelgeschosse penetrierten die Windschutzscheibe und zerfetzten den Brustkorb des Schwarzen, bevor Ian den Asiaten mit einem gezielten Kopfschuss niederstreckte. Einen Moment lang war nur das nachhallende Echo des letzten Schusses zu hören.
Für Frank stand die Zeit einen Augenblick still. Um dieses unbegreifliche Schreckenszenario der letzten Minuten zu verarbeiten, blendete sein Gehirn Teile der Wahrnehmung aus. Für wenige Sekunden fühlte er sich schwerelos und wünschte sich für immer in diesem Zustand zu verharren. Losgelöst von diesem Horror, war es nur ein kleiner Schritt hinüber in den Wahnsinn, der mit der Aussicht lockte, dies alles zu vergessen: die Glassplitter in seinen Handflächen, das Blut, den Tod, einfach alles!
Seit er in Bangkok war, spürte er zum zweiten Mal dieses Bedürfnis. Vielleicht wäre er diesmal nicht mehr freiwillig in die Realität zurückgekehrt, hätte seinen schmerzenden Körper verlassen und auf dem öligen Asphalt, neben diesem rauchenden Autowrack und den toten Menschen, stehen lassen. Doch ein unsanfter Hieb von Ilka rüttelte ihn wach und ließ die Zeit weiterlaufen. Die Geräuschkulisse kehrte zurück und mit ihr die Gerüche des Hafens. Das Kordit des Pulverdampfes stieg wieder in seine Nase. Erneut drang die tropische Schwüle in seine Poren und regte die Schweißproduktion an.
„Nimm deine Tasche, wir müssen hier weg!“, fauchte die blonde Frau neben ihm und hielt ihm seine Reisetasche unter die Nase. Sie halfen Ian auf die Beine, dessen linke Gesichtshälfte nur noch eine blutige Masse war und rannten schutzsuchend zwischen die haushohen Containerzeilen. Aus der Ferne hörte man das vertraute Heulen von Sirenen.
Auf dem Fluss
8. Juli 2003
Das braune Wasser des Chao Phraya schwappte bisweilen über den Bug des Schnellbootes, das mit hoher Geschwindigkeit über die Wellenkämme sprang. So nahe am Delta drückte das Meer gegen den Strom und verhinderte einen regelmäßigen Abfluss des Süßwassers in den Golf. Abhängig von den Gezeiten, gab es Gegenströmungen flussaufwärts. Zudem wurde der Fluss zur Mündung hin immer breiter und glich bereits einem See. Die Folge war ein hoher Wellengang, der das schnittige Boot ordentlich
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