Die Steinernen Drachen (German Edition)
seinem Alter sein, vielleicht etwas jünger. Hat Lea ihn jemals beschrieben? Wenn ja, dann hatte er nicht hingehört. Damals hasste er es, wenn sie über Kreutzmann sprach. Zog sie je einen Schlussstrich unter diese Beziehung, nachdem sie sich mit mir einließ? Oder machte sie Stefan weiter Hoffnungen? War ich auch nur ein Spielzeug für sie gewesen? Er war nicht sicher. Lea hatte zu viele Geheimnisse. Eine Tatsache, die mit dem Auftauchen von Kham neue Bestätigung fand. Was wusste er schon wirklich über Lea, außer dass er in sie verliebt war?
Frank isst chinesisch
25. August 2002
Er aß Hühnerbrust in Erdnusssoße, pikant gewürzt, nach seinem Empfinden etwas zu viel Knoblauch, aber alles in allem ein passabel. Zu seinem Bedauern kümmerte sich ein kompakter, stiernackiger Kellner um ihn. Er kannte ihn aus der Bar. Allerdings tat der Chinese so, als hätte er Frank vorher nie gesehen. Die Freundlichkeit war gespielt. Er war der Gast und der Chinese bediente ihn zuvorkommend. Aber die Augen des Kellners sprachen eine andere Sprache. Wir wissen beide, warum ich hier bin, mein Freund!
Einem ungeschriebenen Gesetz folgend, lag das Restaurant im ersten Stock. Möglich, dass alle Chinesen Angst vor Hochwasser haben . Von wenigen Ausnahmen abgesehen, scheinen sich Chinarestaurants generell in der ersten Etage zu befinden. Das verpönte Erdgeschoss war allenfalls für Fastfood-Chinesen gut genug. Ansonsten bot sich das gewohnte Bild. Die Wände waren mit lackierten Schnitzarbeiten verkleidet: Drachen, Tiger, Vögel, viel Schnörkeleien sowie Unmengen von Bambus und Bambusmatten. Künstliche Oberlichter mit bunt bemalten Glasscheiben zeigten Szenen aus dem alten China. Über jedem Tisch hing ein großer, rot-goldener Lampion. Im Aquarium, gleich beim Eingang, schwammen Goldfische und Kois. Schwang die Tür zur Küche auf, hörte man das heiße Öl in den Woks zischen.
Lea servierte im hinteren Teil des Restaurants. Die Vermutung lag auf der Hand, dass man ihn absichtlich so platziert hatte, damit er nicht von ihr bedient werden konnte. Als sie ihn sah, winkte sie kurz. Seitdem kam kein Blick mehr in seine Richtung. Er verfolgte jeden ihrer Schritte, während sie sich ihren Gästen widmete. Sie trug eine rote abgesteppte Jacke, bestickt mit chinesischen Symbolen, darunter eine weiße Bluse und einen schwarzen, knielangen Rock. Durch ihre hohen Schuhe überragte sie alle männlichen Kollegen. Mit Tellern beladen, schwebte sie durch die Tischreihen und hatte stets ein Lächeln parat. Schau nur, wie sie geht, ist das nicht Hollywood?, rezitierte er in Gedanken einen Liedtext, während er sie beobachtete.
Obwohl es noch früh am Abend war, waren viele Tische besetzt. Hinter dem Tresen stand eine alte, beleibte Chinesin, die das Treiben im Lokal mit einem seligen Grinsen beäugte. Kaum war er mit dem Essen fertig, kam der Kellner an seinen Tisch und verbaute ihm die Sicht auf Lea. „Soooh, hat gezmeggt?“
Frank sah zu ihm auf und nickte. Der Chinese räumte den Tisch ab und fragte ihn, ob er noch etwas wolle. Er verneinte und bat um die Rechnung.
„Lechnun komm sofoot!“
Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Seine Hoffnung mit Lea ein paar Worte wechseln zu können, zerplatzte; er war umsonst gekommen. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, ihn richtig zu begrüßen. Die Alte wackelte an seinen Tisch und legte ihm den Kassenbon vor. Ein schmerzlicher Einschnitt in sein begrenztes Budget. Die Investition hatte er letztlich nur getätigt, um Lea nahe zu sein. Jetzt war er satt, aber unglücklich. Das Geld war aus dem Fenster geschmissen. Widerwillig zahlte er die Rechnung und sah der alten Chinesin nach, wie sie wieder hinter die Theke trottete. Lea verschwand in die Küche. Betrübt stand er auf, ärgerte sich über seinen Knoblauchatem und verließ das Restaurant.
Der Stiernacken verabschiedete sich von ihm mit einer angedeuteten Verbeugung und grinste ihn an. Selbst die Fische im Aquarium schienen ihn zu belächeln. Er ging mit hängendem Kopf den Gang entlang, der zur Treppe und schließlich aus dem Gebäude führte. Während im Restaurant die Klimaanlage für eine angenehme Frische sorgte, stauten sich im Zugang asiatische Gerüche und Küchendunst. Aus dem Augenwinkel heraus registrierte er, wie rechts von ihm eine Tür geöffnet wurde. Zusammen mit den typischen Dämpfen und Geräuschen einer Großküche huschte ein Schatten durch den Türspalt. Als er aufblickte, stand sie vor ihm. Er
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