Die Steinernen Drachen (German Edition)
trieb den Taxifahrer an, schneller zu fahren. Der Verkehr war dicht und ungeordnet. Die Dunkelheit senkte sich rasch über die Stadt und Millionen von blinkenden Neonleuchten warfen ihre bunten Schatten auf die quirlenden Menschenmassen, die sich durch die Straßen schoben. Nach ein paar Minuten eisigen Schweigens, versuchte Frank erneut sein Glück. „Wie ist sie euch entkommen, nachdem ihr sie mehrere Monate festgehalten habt?“
„Sie war in Sicherheitsgewahrsam. Wir konnten kein Risiko eingehen und sie frei herumlaufen lassen. Nicht, bevor sie uns gesagt hatte, was sie über die Atomwaffentests wusste“, erklärte Ilka verärgert. „Was willst du eigentlich? Wir haben ihr den Arsch gerettet!“
„Aber sie hat euch nichts erzählt? Monatelange Verhöre, aber keine Antworten.“
„Woher willst du das wissen?“
„Weil ihr immer noch den Informationen über mögliche Nukleartests hinterherlauft. Ihr habt nichts von ihr erfahren, was euch weiter gebracht hätte.“ Er setzte ein triumphierendes Lächeln auf und verdrängte für wenige Sekunden seine Kopfschmerzen. Plötzlich fiel ihm etwas ein. „Hatte Lea eine Tätowierung?“
Ilka runzelte die Stirn. Die Frage schien ihr total aus dem Zusammenhang gegriffen. „Ja, einen Drachen, quer über den Rücken. Doch soweit ich mich erinnern kann, war das Tattoo unvollständig. Was zur Hölle? Du wirst sie doch mal nackt gesehen haben?“
Seine Gedanken waren schon zu weit abgeschweift, um ihre letzten Worte noch zu hören. Wiegands Geschichte stimmte in allen Punkten. Vor seinem inneren Auge entstand das Bild des Drachens – wie er sich über Leas Rücken wand, durch die seidige Haut schimmerte und im Rhythmus ihres Herzschlags pulsierte.
„Frank!“ Ilkas Stimme holte ihn zurück. Er sah sie unverwandt an.
„Das Tattoo! Warum hast du mich danach gefragt?“, hakte sie nach. Durch seine sichtbare Reaktion auf den Drachen, klingelten bei ihr die Alarmglocken.
„Hat nichts mit dem hier zu tun“, wiegelte er ab. Die Skepsis in ihrem Blick machte deutlich, dass sie ihm das nicht abnahm.
„Wie ist sie euch entkommen?“, fragte er erneut, um von der Geschichte mit der Tätowierung abzulenken. Die Agentin funkelte ihn angriffslustig an. Ihm wurde bewusst, dass er sich auf einem sehr schmalen Grat bewegte. Ohne dich bin ich hier verloren! Er war ihr ausgeliefert. Sollte sie auf die Wahrheit drängen, konnte er sie nicht länger belügen und gleichzeitig weiter auf ihre Hilfe hoffen. Eine beunruhigende Stille umgab ihn, während er fasziniert die Kontraktion ihrer Iris betrachtete. Sag was! Die Ränder seines Sichtfelds färbten sich schwarz. Er bekam den Eindruck, dass sich seine Körperfunktionen auf ein Minimum reduzierten, der Pulsschlag sich verlangsamte und die Atmung erstarb. Triff eine Entscheidung oder ich sterbe!
Zehn lange Sekunden verstrichen, dann entspannten sich ihre Züge und der Spuk war vorbei. Als wäre nichts gewesen, knüpfte sie an ihrem Bericht an. „Lea war auf dem Weg ins Krankenhaus. Ihr Transport wurde überfallen. Nein, aus unserer Sicht war es kein Überfall, sondern eine Befreiungsaktion. Man hat sie mitgenommen.“
Trotz der gestauten Hitze im Taxi, lief ihm ein kalter Schauer über seinen Rücken. „Krankenhaus? Wieso?“, stammelte er.
„Nun, es war soweit. Neun Monate waren um, ihr Kind sollte geholt werden – durch Kaiserschnitt!“
Die Brücke der Freundschaft
9. Juli 2003
Der Flug durch die Nacht war kurz, aber umso nervenaufreibender. Die kleine Propellermaschine der Bangkok-Airways wurde zum Spielball eines lärmenden Tropengewitters mit peitschenden Regenschauern. Die Turbulenzen, die sich in unrhythmisch auftretenden Intervallen über das Flugzeug ergossen, hielten die Flugbegleiterin konsequent davon ab, auch nur irgendetwas zu servieren. Die Thailänderin in ihrer hellblauen Uniform war überfordert, strahlte keinerlei Zuversicht mehr aus und ihr angefrorenes Lächeln war verschwunden.
In der Maschine gab es links und rechts vom Gang nur eine Sitzreihe. Die Plätze waren, bis auf Ilka und Frank, ausschließlich von Asiaten besetzt, die sich allesamt ängstlich an ihre wackligen Armlehnen klammerten und ständig damit beschäftigt waren, den korrekten Sitz ihrer Gurte zu prüfen. Einige der Passagiere hatten ihre Köpfe tief in die Kotztüten gesteckt und gaben abstoßende Geräusche von sich. Der Geruch von kaltem Schweiß hing in der Kabine und tropfte kondensiert von den Gepäckfächern. Ein
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