Die Steinernen Drachen (German Edition)
Rettungsanker. Seine Beine waren noch wacklig von dem Schrecken, den die Beinahekollision mit dem Öltanker hinterlassen hatte. Es war an der Zeit seinen Kopf zu lüften, um nicht vollends verrückt zu werden. Die brenzligen Situationen, die ihm sein Leben kosten konnten, häuften sich. Die Einschläge kamen näher. Er hatte Angst. Aber Angst behindert den Denkprozess und er war sicher, dass er nur überleben konnte, wenn er bei klarem Verstand blieb, falls dies in seiner jetzigen Lage überhaupt noch möglich war. Zu seinem Bedauern war Ilka in ihren Ausführungen über die Jagd nach Lea unterbrochen worden. Ihm fehlte das Ende der Geschichte. Das Ende vom Anfang. Hätte er alles erfahren, was die CIA wusste, währe er möglicherweise stiften gegangen, solange die Verwirrung unter den Agenten anhielt. Aber er ahnte, dass ihm noch ein entscheidendes Puzzleteil fehlte, ohne dass er seine Suche nach Lea nicht weiter verfolgen konnte.
In der Gasse roch es streng nach Fisch und Dieselöl. Die feuchtwarme Luft hing schwer zwischen den Häuserwänden. Der Gestank, der ihm in die Nase kroch, erinnerte ihn an sein unfreiwilliges Bad in der Rems. Er war durchgeschwitzt und fühlte sich schmutzig. Jeder Muskel, jeder Knochen in seinem Körper schmerzte. Sein Wunsch nach einer handvoll Aspirin war noch größer, nach einer erfrischenden Dusche. Konnte er seine gewohnten Ansprüche an ein angenehmes, geregeltes Leben noch weiter herunterschrauben und noch mehr Torturen über sich ergehen lassen? Oder hatte er die Grenze seiner physischen und psychischen Belastbarkeit erreicht?
Es ging nicht nur um Lea. Er nahm diese Strapazen auf sich, um seine Unschuld zu beweisen, hielt er sich vor Augen. Das gab ihm für den Moment genug Auftrieb, um weiterzumachen und seine letzten Reserven zu mobilisieren. Er atmete tief durch, suchte nach seiner Mitte, nach der Energie, seinem Ki .
Ian stand an der Ecke, die zum Hafen hinausführte und beobachtete das Geschehen am Kai. Frank nahm an, dass er nach Kham, aber auch anrückende Polizeitruppen ausspähte. Der bullige Amerikaner konnte zumindest wieder aufrecht stehen, aber er wollte nicht daran denken, wie angeschwollen seine Eier waren.
Die Hand auf seiner Schulter ließ ihn herumfahren.
„Alles klar? Du siehst nicht gut aus!“ Ilka musterte ihn prüfend.
„Danke. War zu erwarten, gemessen an dem, was gerade alles über mich hereinbricht. Die Topspionin mag das gewohnt sein, aber für einen Normalbürger wie mich, ist das etwas herb“, erklärte er mit mokantem Unterton.
Sie überging seine Anspielung. „Dafür hältst du dich wacker!“
Das Klingeln ihres Mobiltelefons beendete die Unterhaltung. Er beobachtete, wie sich ihre Mimik während des Gesprächs veränderte. Anfangs wirkte sie noch müde und angespannt, doch je länger der Anruf dauerte, desto mehr schienen sich ihre Batterien wieder aufzuladen. Nachdem sie die Verbindung getrennt hatte, rannte sie zu Ian und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dann kam sie zurück und packte ihn unsanft am Arm. „Wir müssen los! Kham ist schon am Flughafen.“ Sie zerrte ihn die Gasse hoch. Nach etwa fünfzig Metern erreichten sie eine breitere, viel befahrene Straße, die parallel zum Hafen verlief. Dort winkte sie ein Taxi heran. Zwanzig Sekunden später saßen sie im Fond eines verschlissenen Toyotas, unbestimmbaren Baujahres. Der Wagen fädelte sich in den fließenden Verkehr ein.
„Werden wir ihn noch erwischen?“, fragte er.
Ilka, die soeben ein weiteres Telefonat beendet hatte, schüttelte den Kopf. Ihre blonde Lockenmähne, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug, schlenkerte dabei wild um ihren schlanken Hals. „Er wird schon weg sein, wenn wir ankommen. Aber es geht heute noch eine Bangkok-Airways Maschine nach Udon Thani. Von dort können wir mit einem Wagen bis zur laotischen Grenze fahren. Ich wäre gerne nach Vientiane geflogen, aber es gibt Probleme. Laos lässt keine Amerikaner mehr einreisen, selbst wenn sie ein Visum haben. Garantiert verdanken wir das Kham. Jetzt können wir nur auf unseren V-Mann hoffen. Er wird uns zu ihm lotsen, sobald wir über der Grenze sind.“
„Wäre es nicht besser, sich auf die Suche nach Lea zu konzentrieren?“, schlug er vor.
„Er wird uns zu ihr führen.“
„Was hieße, dass sie wieder in Laos ist.“
„Haben wir das nicht schon einmal diskutiert? Lass mich meine Arbeit machen. Wir treffen die richtigen Entscheidungen!“
„Klingt ziemlich ignorant!“
Ilka
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