Die Steinernen Drachen (German Edition)
karges Licht durch offene Fenster auf die löchrige Asphaltpiste warfen. Gelegentlich kam ihnen ein knatterndes Moped entgegen. Sonst gab es nichts, außer das Röhren des porösen Auspufftopfes und die Gesänge der Nacht – Tiere, wahrscheinlich Insekten, welche die Dunkelheit mit Millionen Stimmen beschallten.
Von Udon Thani bis zur Staatsgrenze nach Laos sind es keine sechzig Kilometer, aber die schlechte Fahrbahn, die finstere Nacht und die tausend Gedanken in Franks Kopf machten daraus eine Reise in die Unendlichkeit. Nach zweieinhalb Stunden hielt der Wagen vor einer schäbigen Hütte. Von dem Wellblechdach tropfte Regenwasser auf den schlammigen Boden. Frösche quakten. Weit und breit war kein Licht zu sehen, keine steil aufragenden Hausgiebel, die sich als schwarze Silhouette gegen den grauen Nachthimmel abzeichneten. Nichts, außer Wildnis.
Er hatte Hunger und fühlte sich müde, unendlich müde. Später konnte er sich nicht mehr erinnern, was in der Hütte passiert war, bevor er in einen unruhigen Schlaf fiel und ihn quälende Träume durch die verbliebene Nacht jagten.
Morgens erwachte er auf einem fleckigen Futon, der direkt auf den harten Bambusstäben lag, die den Boden der Hütte bildeten. Die Zeit der noblen Hotelsuiten war vorbei. Sein Rücken war steif und schmerzte bei dem Versuch, sich umzusehen. Mittlerweile gab es in seinem Körper keinen Muskel mehr, der nicht wehtat. Er biss die Zähne zusammen und stützte sich auf die Ellbogen. Nach anfänglicher Orientierungslosigkeit, fand er langsam in die Realität zurück. Eine Wirklichkeit, die er immer häufiger für einen schlechten Traum hielt.
Durch das einzige Fenster der Hütte drängten sich die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages. Die Matte neben ihm war verlassen, zeigte aber noch den Abdruck eines Menschen, der bis vor kurzem dort gelegen hatte. Von draußen war das schrille Zirpen der Zikaden zu hören. Mit den Gesängen der Insekten fing seine linke Wade an zu kribbeln. Er schob sein Hosenbein hoch und fand mehrere Stiche. Dicke rote Pusteln, die jetzt, wo er sie entdeckt hatte, noch unangenehmer juckten. Er versuchte, sich nicht zu kratzen, den Juckreiz zu verdrängen und horchte in sich hinein. Hunger und Durst meldeten sich. Außerdem pochte die lädierte Rippe, aber das würde sich legen, wenn die Muskulatur erst einmal warm war. Die Verspannung im Nacken, die von dem Zusammenprall mit dem Lastwagen herrührte, war zu ertragen. Die Schnitte in seinen Handflächen brannten, als wären sie entzündet. Der Verband, über Nacht speckig geworden, machte keinen allzu antiseptischen Eindruck mehr.
Er rollte sich von der Matte, kam wankend auf die Beine und torkelte ins Freie. Das gleißende Licht der Sonne nahm ihm die Sicht und er blinzelte mehrmals, bis er klar sehen konnte. Ilka lehnte rauchend an der Motorhaube des Mitsubishis und telefonierte. Er fragte sich, was man anstellen musste, um in dieser gottverlassenen Gegend eine Verbindung zu bekommen. Der wortkarge Fahrer saß hinterm Steuer und erweckte den Eindruck, als wäre das sein Nachtquartier gewesen.
„Schon wach?“, fragte Ilka, die ihr Gespräch beendet hatte und ihm eine Rauchwolke entgegen blies.
„Ich bin mir nicht sicher. Wo sind wir?“
„Da, wo wir hinwollten.“
„Sehr witzig! Hör auf mit dem Geplänkel.
„Was nützt es dir, wenn ich dir sage, wir sind in der Nähe von Nong Khai. Kannst du damit was anfangen? Nong Khai, Nong Khai!“
Natürlich hätte er gern gewusst, wo dieser Ort liegt und warum sie ausgerechnet hier genächtigt hatten. Aber es fehlte ihm an Elan, um das Gespräch in dieser Form fortzusetzen. „Gibt es was zu Essen?“
Die blonde Agentin schüttelte den Kopf.
„Zu trinken?“
Sie griff in ihren Rucksack, der auf der Motorhaube stand und reichte ihm ein Dose Cola Light.
Angewidert verzog er den Mund und griff danach. „Warm wie Pisse“, kommentierte er den ersten Schluck und leerte die Dose, ohne sie noch einmal abzusetzen. Dann folgte er der Agentin in den Wagen.
Nach wenigen Minuten bogen sie in eine breite, stark befahrene Straße ein. Links von ihnen schimmerte das braune Wasser eines breiten Flusses durch das haushohe Schilf. Frank vermutete, dass es der Mekong war und fühlte eine gewisse Erleichterung in der Magengegend. Er war seinem Ziel viel näher gekommen.
Das Verkehrsaufkommen wurde mit jeder Minute dichter. Lastwagen reihte sich an Lastwagen. Dazwischen fuhren qualmende Busse, überfüllte Pkws, zum
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