Die Steinernen Drachen (German Edition)
wurde er hin und her geworfen. Das Glas der vergitterten Scheibe in der Hecktür war gerußt und ließ kaum Licht ins Innere. Die Temperatur wurde mörderisch, je länger dieser Transport dauerte. Er versuchte sich darüber klarzuwerden, was eben passiert war. Die Polizei hatte ihn verhaftet. Für eine Sekunde zog er in Erwägung, dass der Alte ihn verraten hatte. Aber das war Unsinn. Der Asiat hatte andere Pläne mit ihm, die er
wahrscheinlich jetzt nicht mehr erfahren würde. Es gab nur eine Erklärung: Kwan Kham veranlasste die Festnahme. Der Geheimdienstchef hatte genügend gegen ihn in der Hand, um dies zu rechtfertigen. Er war mit falschen Papieren nach Laos eingereist. Welche Strafe brummen sie dir dafür auf? Tod durch den Strang ... oder schlimmer? Frank wurde hart an die Blechwand geworfen, als der Kastenwagen scharf bremste und zum Stehen kam. Gegen die aufkommende Resignation ankämpfend, machte er sich auf alles gefasst, obwohl es zwecklos schien. Kham hatte ihn in seinen Fängen. Ein Mensch, der nicht zögert, wenn es darum geht, zu töten. Das hatte sich in Bangkok gezeigt. Wie groß waren die Chancen, Laos zu überleben, wo dieser Mann die Macht hatte und sich keinen Gesetzen unterordnen musste?
Sein Entsetzen wuchs mit jeder Minute in dieser stickigen Dunkelheit.
Über die Angst und darüber hinaus
10. Juli 2003
Die hintere Tür flog auf und zwei Polizisten halfen ihm unsanft aus dem Fahrzeug. Man führte ihn in ein Gebäude mit einem hohen Giebeldach, das von Säulen gestützt wurde. Über dem Eingang, unter den schattigen Arkaden, prangte ein roter Stern. Neben den laotischen Schriftzeichen über der Tür war das Wort Police in lateinischen Lettern zu lesen.
Sie brachten ihn über einen leeren Gang tief in die Innereien der Polizeistation. Eine lange Treppe hinunter, dann wieder endlose Korridore entlang. Fünf Minuten später fand er sich in einem kühlen, quadratischen Raum wieder, der tief unter der Erde liegen musste und in einer maisgelben Farbe getüncht war. Vereinzelt waren dunkle Flecken in allen Größen und Formen an den Wänden zu erkennen. Teilweise hatte man versucht, sie zu überstreichen oder abzuwaschen. Es gab kein Fenster, keine Ventilation, nur eine nackte Glühbirne. Der Boden war gefliest, in der Mitte befand sich ein Ablaufgitter. Einige der Kacheln waren gesprungen. Im Raum, der etwa vier auf vier Meter maß, befanden sich ein einfacher Holztisch und zwei Stühle.
Frank setzte sich auf einen davon, mit Blick zur Tür, die innen keine Klinke hatte und sehr stabil aussah. Er betrachtete die Flecken und ahnte, dass es sich dabei um Blut handelte. Manche davon waren schon am verblassen, andere sahen frisch aus. Er spürte Angst und konnte sich nicht erinnern, jemals solche Furcht gefühlt zu haben. Nicht einmal, als man ihn mit einer Waffe bedroht hatte, was in den vergangenen Tagen häufiger geschehen war. Doch hier in diesem Raum war das bedrückende Gefühl von entsetzlicher Reinheit und ließ seinen Körper beben. Eine Angst, die ihn dazu zwang, wie gefesselt auf dem Stuhl hocken zu bleiben und die seine Gedanken kontrollierte.
Für ihn stand fest, dass er hier drinnen sterben würde. Aus unerfindlichen Gründen würde man ihn foltern, bis sein Kreislauf vor Schmerzen kollabierte und er starb. Danach würde man seine entstellte Leiche aus dem Raum schleifen. Den Fliesenboden mit einem Wasserschlauch abspritzen, um ihn von all dem Blut und Exkrementen zu säubern und die Spritzer an den Wänden überpinseln. Sein Leben würde ausgelöscht werden, der tote Körper entsorgt und niemand würde je erfahren, wohin Frank Grabenstein verschwunden war. Er wäre nie an diesem Ort gewesen.
Dabei hatte er bisher soviel in Erfahrung gebracht und war mit der Lösung des Rätsels um Lea schon auf Tuchfühlung. Und das, was der Alte erzählt hatte, führte ihn wieder ein Stück näher an die Wahrheit heran. Bis hierhin fehlte nur noch ein Quäntchen und das Geheimnis wäre gelüftet. Hätte er doch noch ein bisschen mehr Zeit, dann wären alle Zusammenhänge klar und die Geschichte würde einen Sinn ergeben. Die Antworten waren in seinem Kopf, er konnte sie nur noch nicht abrufen – erst recht nicht in dieser Zelle. In diesem Raum voller Angst, die jeden nüchternen Gedanken verhöhnte. Schlimmer als der baldige Tod, schien ihm nur noch die Tatsache zu sein, dass er keine Gelegenheit mehr bekommen würde, alles zu erfahren, Lea zu finden und das Ende mitzuerleben.
Er
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