Die Steinernen Drachen (German Edition)
Unverzüglich war die Kälte, die sich in dem Verhörraum in seine Seele geschlichen hatte, verschwunden.
Der Flur führte sie in eine große Halle. Abrupt bremste der Laote und schlug einen gemächlichen Schritt an. Meinhans und er passten sich dem Tempo an und versuchten so unauffällig wie möglich zu wirken. Sie fanden sich inmitten vieler Menschen wieder, Polizisten wie Zivilisten, die heftig und scheinbar chaotisch miteinander diskutierten. Für die Zeit, in der sie sich
durch die Menge in der Halle drängten, waren sie unsichtbar. Danach verschluckte sie der nächste Korridor. Xieng fing wieder an zu laufen, aber er strebte nicht dem Haupteingang zu, soviel war Frank klar. Er schmuggelt uns irgendwie hier raus!
Nachdem sie zwei Türen passiert hatten, waren die schnatternden Gespräche endgültig verstummt. Über eine schmutzige Fensterfront konnte man in einen verstellten Hinterhof sehen, in dem mehrere Einsatzfahrzeuge standen. Eine massiv wirkende Stahltür führte dort hinaus. Dahinter lauert die Freiheit , dachte er, als sie darauf zu rannten.
In dem Moment schwang die Tür auf. Ein großer Schatten verdunkelte den Ausgang, der im Gegenlicht nur langsam Konturen bekam. Frank spürte, wie seine Kehle trocken wurde. Nguyen versperrte mit seiner massigen Gestalt den Weg nach draußen. Aus seinem Blick las er, dass diese Konfrontation für den Laoten genau so überraschend war. Ob aus Geistesgegenwart oder Angst, Capitaine Xieng reagierte am schnellsten und schob ihn und Meinhans in einen abzweigenden Gang, der an einer Treppe nach unten endete.
Frank vernahm, wie der Tiger zum Sprung ansetzte, während er die steilen Betonstufen hinabstolperte. Khams Bodyguard hatte sich aus seiner Starre gelöst und jagte ihnen nach. In dessen Rücken ertönte die Stimme seines Herrn. Der Geheimdienstchef stieß einige schrille Laute aus, die an das gequälte Kreischen von abgefahrenen Bremsbelägen erinnerten. Unten angekommen, schlug eine Tür hinter ihnen zu und es war wie das Luftholen nach einem langen Tauchgang. Flackernde Neonröhren beleuchteten den Gang, an dessen Ende sich eine weitere Tür befand. Die Flüchtenden hatten sie erreicht, als der Mann im schwarzen Anzug den Boden am Treppenabsatz berührte.
Xieng hetzte sie weiter um eine Ecke, links, rechts, links. Ein Irrgarten. Er wusste nicht mehr, wo er sich befand, hatte die dunkle Ahnung, dass sie wieder tief ins Labyrinth des Gebäudes vorstießen. Dort, wo die maisgelben Verhörräume mit den gefliesten Böden lauerten. Dieser Gedanke schnürte ein breites Stahlband um seinen Brustkorb. Die Schritte ihres Verfolgers hallten unheilschwanger durch die Korridore, in denen Kabelstränge und Rohrleitungen offen lagen und wie monströse, baumdicke Schlangen an den Wänden und an der Decke entlang krochen. Und die Schritte kamen näher. Der Tiger holte auf!
Meinhans keuchte schwer und Frank glaubte nicht, dass er diese Flucht noch lange durchhalten würde. Auch mit seiner Kondition stand es nicht mehr zum Besten. Die Lungen brannten und das Blut pochte in seinen Schläfen. Die nächste Treppe führte steil nach oben und trotz seiner kurzen Beine nahm der Laote immer drei Stufen auf einmal.
Er ließ dem hechelnden Kommissar den Vortritt, um gegebenenfalls schieben zu können. Bei einem Blick zurück über die Schulter, schrumpfte seine Hoffnung auf die baldige Freiheit und aufs Überleben. Nguyen war auf zehn Meter an sie herangekommen und griff gerade nach seinem Schulterhalfter. Er brüllte etwas, das sich wie »schneller« anhörte. Doch sein Atemorgan gierte so sehr nach Sauerstoff, dass es den Schrei mit aufsog und in ein kehliges Krächzen verwandelte. Die Tür war zum Greifen nahe, als der Schuss aus der großkalibrigen Waffe in dem engen Gang explodierte und jedes Trommelfell an die Belastungsgrenze brachte. Im selben Moment spürte er den Luftzug der Kugel an seinem linken Ohr, ehe sie ein faustgroßes Loch in die Wand neben ihm riss. Mörtel und Verputz spritzte auf und hinterließ blutige Striemen in seinem Gesicht. Bevor der zweite Schuss fiel, hatte Xieng die Tür offen und eine gnadenlos helle Lichtkaskade flutete den engen Schacht und raubte ihm für Sekunden die Sehkraft. Das zweite Projektil schlug irgendwo gegen die Decke und es regnete Betonstaub. Diesmal war der Schuss weniger laut. Die Schallwellen hatten sich die Treppe hochgeschraubt und konnten somit widerstandslos ins Freie entweichen, zusammen mit Frank, Meinhans und ihrem
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