Die Steinernen Drachen (German Edition)
Erklärung.
„Was hat es mit diesen Drachenbergen auf sich?“, fragte er, während der orangefarbene Saft einer Papaya von seinen Mundwinkeln tropfte.
Er sah Xieng an, der gerade in ein Stück Melone biss. Nachdem er fertig gekaut und sich den Mund mit dem Ärmel trocken gewischt hatte, fragte er Frank: „Wie viel weiß er?“
„Nichts!“
Der Laote nickte. Mit gerunzelter Stirn blickte er in den undurchdringlichen Regen.
„Im Jahr 1390 standen die Armeen Kaiser Taizus an der Nordgrenze Lan Xangs, dem heutigen Laos. König Samsenthai erkannte die große Gefahr, die auf das Land der Millionen Elefanten zukam. Ihm war bewusst, dass das gewaltige Heer der Chinesen seine zahlenmäßig unterlegene Streitmacht überrollen würde. Der Herrscher zweifelte keineswegs an der Kampfesstärke seiner Armee, aber die Übermacht der Angreifer aus dem Norden war
nicht zu bezwingen. Um sein Land und Volk vor dem Schicksal der Sklaverei durch die Chinesen zu bewahren, sah er nur einen Ausweg. Er weckte die Drachen, die seit Jahrtausenden im Gelben Fluss schliefen. Dorthin wurden sie von den Göttern in grauer Vorzeit verbannt, weil sie dreist und unbezähmbar waren. Von jeher war es nur den Göttern möglich, die Drachen aus ihrer Starre am Grund des Flusses zu befreien. Doch als Dank für die Gründung des Reiches der Millionen Elefanten, gaben die Götter König Fu Nam die Macht, die Drachen zu befehligen. Der wiederum gab diese Gabe an seine Nachkommen weiter. Von da an konnte jeder Nachfahre Fu Nams, der das Symbol des Drachens auf der Haut trug,
über diese Macht verfügen. So auch Samsenthai, der wie alle Könige Lan Xangs die Drachentätowierung trug. Samsenthai sah keinen anderer Weg, als die Dämonen des Flusses zu befreien, um sein Volk vor der Unterjochung durch Taizu zu bewahren. Er musste diesen Pakt mit den Dämonen eingehen. Neun Drachen erhoben sich schließlich aus den Fluten des Gelben Flusses und folgten dem Ruf des Königs. Sie flogen nach Norden, den Chinesen entgegen, und trieben sie zurück in ihr Land. Dem nicht genug, verbrannten sie deren Felder, Wälder, Dörfer und Städte, um sie auf ewig davor abzuschrecken, jemals wieder Lan Xang zu bedrohen.
Nachdem die Drachen die Pflicht erfüllt hatten, die ihnen vom König auferlegt wurde, wollten sie ihre wiedergewonnene Freiheit nicht mehr aufgeben. Als Samsenthai erkannte, dass die Drachen seinem Bann zu entfliehen versuchten, rief er in seiner Verzweiflung die Götter an. Der Tribut, den die Götter zur Besänftigung der Unwesen verlangten, war hoch. Sie forderten königliches Blut. Junges Blut und nicht das eines Mannes, sondern einer Frau. Die Zeit drängte, denn die Drachen schickten sich an, auch Lan Xang zu vernichten. Dem König blieb keine Wahl.
Seit jener Zeit und im Zyklus von 72 Jahren, ist es das Geheiß, stets das Blut der jüngsten Königstochter zu vergießen. Samsenthai selbst brachte schweren Herzens das erste Opfer dar, tötete sein jüngstes Kind. An der Stelle, an der das Blut der geliebten Tochter die Erde berührte, ließen sich die Drachen nieder und erstarrten zu Stein. Seit dieser Zeit türmen sich zwischen China und Laos die Drachenberge. Immer, wenn der Zyklus von neuem beginnt, regen sich die Drachen und drohen aus ihrer Starre zu erwachen.“
„Woher wissen Sie das alles? Angeblich handelt es sich hier um das bestgehütete Geheimnis Südostasiens?“, gab Frank seinem Erstaunen Ausdruck.
„In der Tat erließ Samsenthai gegen Androhung der Todesstrafe ein Schweigegebot, was den Krieg gegen die Chinesen betraf, und alles, was damit zusammenhing: den Kampf der Drachen und das tragische Schicksal der Königsfamilie. Und auch Taizu verbot der Schmach wegen, darüber zu berichten. Stattdessen wurde die Legende der zehn Sonnen erfunden, denn das chinesische Volk verlangte nach einer Erklärung für ihr verbranntes Land. Meine Familie lebte schon damals im Grenzgebiet zum Reich der Mitte und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich selbst bin nahe der Drachenberge geboren und wie jeder, der aus dieser Gegend stammt, kenne ich das traurige Ritual, dass die Könige Lan Xangs seit jener Zeit dort alle 72 Jahre vollzogen haben: Blut für die Drachen!
Die Erdbeben der letzten Zeit künden davon, dass der Zyklus von neuem beginnt. Die Steinernen Drachen fordern ihren Tribut. Die jüngste Tochter des Königs muss ihr Blutopfer bringen, um die Dämonen wieder zu besänftigen.“
„Das erklärt die Erdbeben. Die Drachen
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