Die Steinernen Drachen (German Edition)
Fluchthelfer. Geblendet und mit tränenden Augen, taumelte er hinaus auf den Hof. Die Sonne brannte grell und unbarmherzig, erschwerte ihnen die Orientierung. Einem Impuls folgend tastete er nach der Tür und schlug sie mit aller Wucht hinter sich zu. Genau im richtigen Moment. Statt des erwarteten Türknalls vernahm er nur einen dumpfen Schlag, dem ein kurzer, gellender Schrei folgte. Etwas Schweres polterte die steilen Betontreppen hinab. Die Freude darüber, dass er den Sumomann auf diese Weise ausgeschaltet hatte, währte nur kurz. Xieng trieb sie zur Eile an und hetzte auf einen, in der Reihe parkenden Geländewagen zu. Unter brennenden Schmerzen kehrte das Augenlicht langsam wieder zurück.
Wie sich zeigte, hatte Xieng die Baupläne der Polizeipräfektur gut im Kopf, denn er hatte sie unbeirrt, auf unterirdischen Wegen, zum Fahrzeugpark der Station geführt. Ein Trupp Uniformierter bestaunte das Trio auf ihrem Weg, quer über das Gelände. Aber keiner der Polizisten sah einen Anlass, einzugreifen. Ihre Flucht hatte sich unter den Diensthabenden noch nicht herumgesprochen. Der Capitaine wählte gezielt einen Nissan Patrol aus. Der Zündschlüssel steckte und innerhalb von dreißig Sekunden waren sie auf der Avenue Lan Xang .
Unterdessen hatten sich vom Osten schwarze Wolken vor die Sonne gesetzt und erste schwere Tropfen platschten auf die Windschutzscheibe. Im Wagen war nur das hektische Keuchen der drei Männer zu hören. Franks Körper zitterte von der Anstrengung. Xieng war damit beschäftigt, den Nissan auf der Straße zu halten, während er versuchte, seinen Pulsschlag zu senken. Meinhans sah mehr tot als lebendig aus und war auf der Rückbank zusammengesunken.
„Bleiben Sie mir bloß am Leben“, ermahnte er ihn.
„Sie sehen auch nicht gerade gut aus“, presste der Kommissar hervor, wobei jedem Wort ein röchelnder Atemzug folgte.
Er betastete sein Gesicht und betrachtete danach seine blutigen Finger.
„Wir müssen den Wagen wechseln“, empfahl der Laote.
„Sie werden danach suchen. Uns bleibt nicht viel Zeit.“
„Was haben wir vor?“, fragte Meinhans, der sich widerstandslos den Bewegungen des Autos hingeben musste.
„Weg aus Vientiane.“
„Wohin?“, hakte der Kommissar nach. Ungeachtet seines schweren Atems, konnte man seinen abfälligen Tonfall nicht überhören. Die ganze Situation schien ihm mittlerweile ziemlich auf den Senkel zu gehen. Seine Dienstreise hatte sich in ein bedenkliches Chaos gewandelt. „Wem machen wir diesmal unsere Aufwartung?“
„Den Steinernen Drachen!“
Einen Schritt vor der Wahrheit
11. Juli 2003
Überlebt!
Der Gedanke ging ihm nicht aus dem Kopf. Fürs erste war er gerettet. Oder sollte er sagen, aufs Neue? Wie oft hatte er in den letzten Tagen seinen Kopf aus der Schlinge gezogen, war dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe gesprungen? Unfassbar, wie viel Glück er bisher gehabt hatte. Mehrfach hatte man ihm eine Schusswaffe vor die Nase gehalten, ihn zusammengeschlagen oder sein Auto gerammt. Man wollte ihn zerquetschen, ertränken, und nicht nur bei einer Gelegenheit erschießen. Aber er hatte überlebt!
Rein statistisch gesehen war die Pechsträhne lange überfällig, doch der Zeitpunkt schien ungünstiger als je zuvor. Er fühlte, dass er sich dem Zenit der Ereigniskette näherte. Frank war auf dem Weg ins Zentrum dessen, wovor er am meisten Angst hatte. Zum einen, weil er nicht wusste, welches Grauen ihn dort erwarten würde. Zum anderen, weil er ahnte, dass dort etwas Schreckliches vor sich ging und man von ihm verlangte, dass er eingriff. Was ausgerechnet ihn dazu befähigte, diese Bedrohung zu stoppen, konnte er sich nicht ausmalen. Möglicherweise reichte sein gesunder Menschenverstand dafür nicht aus. Aber es schien unumgänglich, dass er sich dieser Herausforderung stellte. Für Lea, für das Kind, für sich selbst, für die Zukunft dieses Landes, womöglich der Menschheit? Es hörte sich pathetisch an, aber genauso hatte es geklungen, als der Alte seinen Appell an ihn richtete. Unser aller Leben hängt davon ab. Diese Worte hallten immer noch in seinem Kopf. Was immer damit gemeint war, er konnte nicht mehr umhin, die Bedeutung dieses Satzes ernst zu nehmen. Alles würde sich entscheiden, sobald sie die Drachenberge erreichten, oder wie Xieng sie nannte: Die Steinernen Drachen .
Konnte er nochmals auf sein Glück zählen, sobald sie im äußersten Norden Laos’ ankämen. Er klammerte sich an das Quäntchen Zuversicht,
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