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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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verdammt, das widerwärtige Schauspiel zu ertragen. Dazu kam der Lärm durch ohrenbetäubende Schreie. Aus Schmerzen geborenes Heulen, verstärkt durch das Echo der Höhle, das in seine Gehörgänge getrieben wurde und sich in seinem Kopf wie die Druckwelle einer Atomexplosion ausbreitete.
    Über alldem thronten die Drachen. Schuppige Monster mit Körpern, lang wie Tankschiffe und mächtigen stachelbewehrten Köpfen, mit Mäulern wie Eisenbahntunnel, aus denen stechender Rauch quoll. Die Schläge ihrer behäuteten Schwingen verwirbelten ihre giftigen Ausdünstungen und trieben einen heißen Wind über das Purgatorium. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als diesen Ort des Schreckens zu verlassen, bevor er dem Wahnsinn verfiel. Doch sein erstarrter Körper ließ sich keinen Millimeter bewegen.
    Der plötzlich bebende Boden unter seinen Füßen löste seine Starre. Noch ehe er überhaupt wusste, wohin er flüchten sollte, hob sich der Stein, auf dem er stand. Mit unermesslicher Geschwindigkeit raste er nach oben, direkt hinein in die schwefligen Dämpfe, vorbei an den mächtigen Kalksäulen, den lederhäutigen Schwingen der Ungetüme, der Felsenkuppel entgegen. Die Angst, an der Höhlendecke zerquetscht zu werden, wich dem Erstaunen darüber, als er aus den Giftwolken katapultiert wurde. Statt undurchdringlichem Stein wölbte sich ein blauer Himmel über ihn, der von schweren Wolken durchzogen war. Der schwankende Fels, der ihn wie ein Aufzug aus der Hölle gehoben hatte, brachte ihn auf geradem Weg hoch bis zu den Berggipfeln. Unversehens umhüllte ihn eine eisige Kälte und sein Körper begann zu zittern. Der Schweiß, den er aus der brennenden Tiefe mitgebracht hatte, gefror auf seiner Haut und eine Eisschicht legte sich wie ein Panzer um ihn. Gehemmt in seinen Bewegungen stürzte er von dem trudelnden Felsen und schlug hart auf das steinige Plateau. Der Berg unter ihm begann sich zu regen, Spalten und Risse taten sich auf. Das Gestein bäumte sich wie ein Ungetüm auf. Schreie aus zahllosen Kehlen drangen an sein Ohr. Endlich löste sich sein Bewusstsein aus dem Schrecken des Albtraums, um ihn in das Entsetzen der Realität zu entlassen. Im ersten Moment glaubte er sich weiterhin auf dem Rücken des Untiers. Dann sah er die zitternden Holzwände um sich herum und wusste, wo er sich befand und was gerade passierte. Die Erde bebte.
    Durch das offene Fenster hörte er die aufgeregten Rufe der Dorfbewohner. Er wollte aufstehen, doch der Boden schwankte zu sehr, als dass er auf die Füße kam. Seine Glieder waren steif und die Muskulatur hart, als wäre sie tatsächlich gefroren. Mit aller Kraft stemmte er sich hoch, wurde aber gegen die Wand geschleudert, die sich daraufhin bedenklich nach außen neigte. Ohne Vorwarnung überfiel ihn eine Übelkeit und in die nächste seismische Welle hinein, erbrach er sich über seine nackten Zehen. Danach kippte er vorne über. Widerstandslos fiel er zurück auf die Reismatte und blieb dort regungslos liegen. Draußen herrschte mit einem Mal eine beunruhigende Stille. Das Beben hatte aufgehört. Er fühlte ein Feuer, das tief in seinem Zentrum entfacht war und sich schnell ausbreitete.
     
    Als er erneut aufwachte, beugte sich ein kahlköpfiger Mann mit einer Hornbrille über ihn. Frank schreckte hoch und wurde mit sanftem Druck wieder zurück auf die Matte gepresst.
    „Sie sollten liegen bleiben“, empfahl der Mann in akzentfreiem Deutsch.
    Seine Verwirrung nahm zu. Er horchte in sich hinein und stieß auf Mattheit und Übelkeit, fühlte Hitze und Kälte zugleich. Noch immer spukten die Geister aus dem Traum durch seinen Kopf. Sein Hemd war triefend nass und klebte wie eine zweite Haut an seinem Oberkörper. Zusätzlich hatte er schrecklichen Durst. Sein Mund war so trocken wie die Marsoberfläche. Seine rissigen Lippen klebten unwiderruflich aufeinander und er fühlte sich nicht in der Lage, sie zu öffnen, geschweige denn seine Stimmbänder schwingen zu lassen. Der Mann mit der Hornbrille zauberte eine kleine Stablampe in seine Hand und leuchtete ihm damit in die Augen. Frank folgte dem Licht. Als die Lampe erlosch, sah er Meinhans, der skeptisch über die Schulter des Glatzkopfs blickte.
    „Malaria“, sagte der Mann.
    Unverzüglich fuhr die Angst wie eine glühende Nadel in seine Gedärme und schnürte ihm gleichzeitig den Hals zu. Malaria , wiederholte er in Gedanken.
    „Was bedeutet das?“, hörte er den Kommissar seine Frage vorweg nehmen.
    „Diese Krankheit hat viele

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