Die Steinernen Drachen (German Edition)
bewegte sich daraufhin bedächtig auf das Krankenlager zu und hockte sich auf seine Hacken. Xieng betrachtete ihn längere Zeit, ohne dass seine Miene erkennen ließ, wie schlimm er wirklich aussah.
„Der Kommissar will Sie ins Krankenhaus nach Phongsali bringen lassen“, sagte er dann.
„Und Sie, Capitaine? Was wollen Sie?“
„Wenn Sie möchten, bringe ich Sie zu den Steinernen Drachen.“
Frank nickte und war froh, dass ihn Xieng nicht gefragt hatte, ob er sich dazu in der Lage fühlte.
„Die Krankenstation hat einen Geländewagen. Damit kommen wir bis auf wenige Kilometer an das Massiv heran. Den Rest, vor allem den Aufstieg müssen Sie zu Fuß schaffen.“
„Gibt es keine Straßen in diese verfluchten Berge?“
„Die werden alle von Khams Männern überwacht. Es bleibt uns kein anderer Weg. Wir müssen durch den Dschungel.“
Bei dem Gedanken an die zu erwartenden Strapazen verkrampfte sich sein Magen. Er schaffte es gerade noch in den Eimer zu kotzen, den man ihm wohlweislich neben seine Matte gestellt hatte. Es kam nur Wasser. Die Reste der Nahrung, die er gestern noch zu sich genommen hatte, hatte er schon in der Nacht erbrochen.
„Der Doktor hat mir Medizin für Sie gegeben, die Sie eine Weile auf den Beinen hält.“
„Mich wundert, dass Pauls das bewilligt.“
„Das tut er nicht. Aber er kann hier nicht bestimmen. Er wird nur geduldet, eben weil er seine Grenzen kennt.
„Und Meinhans?“
Xieng wackelte mit dem Kopf, als wollte er eine lästige Fliege vertreiben. „Was hat er für eine Wahl?“
„Als uns zu begleiten?“
Mit einem kurzen Nicken erhob sich der Laote und verließ das Zimmer.
Im Dschungel
12. Juli 2003
Drei Stunden später schaukelte sie ein veralteter Landrover über unwegsames Gelände Richtung Norden. Mit heulendem Motor quälte sich der Wagen durch Morast und Gestrüpp. Das Beben hatte die Geographie verändert und Doktor Pauls war gezwungen, langwierige Umwege zu fahren. Immer wieder verhinderten umgestürzte Bäume ein zügiges Vorankommen. Auf halber Strecke setzte der Regen ein und verwandelte die Wege in reißende Bäche.
Frank lag hinten auf der Pritsche, die mit einer löchrigen Plane überdacht war und kämpfte mit einem erneuten Fieberschub. Gelegentlich fielen schwere Tropfen auf ihn herab, die sich an den undichten Stellen des Verdecks sammelten. Xieng flößte ihm ab und an Wasser ein, das er mit etwas versetzt hatte, von dem Frank besser nicht wissen wollte, was es war. Auf dem Beifahrersitz saß der Kommissar und fügte sich grummelnd seinem Schicksal. Als der Capitaine ihm mitgeteilt hatte, dass sie die Reise fortsetzen würden, hatte er mit mehr Widerstand gerechnet. Doch Meinhans hatte sich überraschend schnell geschlagen gegeben. Laut Aussage des Doktors waren es nur zwölf Kilometer bis zur Hilfsstation, doch die Fahrt dorthin dauerte eine Ewigkeit.
Als kurz vor dem Ziel erneut ein Erdrutsch einen Umweg nötig machte, brach der Arzt das angespannte Schweigen. „In letzter Zeit kommen häufiger Leute bei uns vorbei, die in die Drachenberge wollen.“
Nicht nur er wurde hellhörig. Unaufgefordert führte Pauls weiter aus: „Gerade ist eine junge Frau bei uns. Sie will allen Ernstes ihr zwei Monate altes Baby dort hinaufschleppen. Ich war sehr darum bemüht, ihr diese Verantwortungslosigkeit auszureden. Aber wie es scheint, vergebens. Welcher spirituellen Gesinnung sie auch folgen mag, es war mir bisher nicht gegönnt, sie davon abzubringen. Und jetzt habe ich einen Malariakranken hinten im Wagen, der den selben Starrsinn an den Tag legt“, endete er, wobei er den letzten Satz leise, aber mit Bedacht vor sich hinmurmelte.
Frank suchte in den Augen seiner Begleiter eine Bestätigung, dass er sich nicht verhört hatte. Ohne Zweifel war auch den beiden Polizisten klar, von wem der Doktor gerade gesprochen hatte. Lea war in der Hilfsstation und hatte ihr Kind dabei. Nach dieser beiläufig eingestreuten Information wurde die Fahrt noch mehr zur Geduldsprobe. Auch Meinhans und Xieng war die Aufregung anzusehen. Jeder der drei hatte ein eigenes Interesse diese Frau zu treffen und nun stellte sich heraus, dass diese Begegnung zum Greifen nah war. Wäre da nicht dieser unwirtliche Dschungel, der sich mit aller Macht gegen ihr Weiterkommen stemmte. Der Tropenregen wollte nicht aufhören. Die Scheibenwischer waren nicht in der Lage, das viele Wasser zu beseitigen. Die Windschutzscheibe beschlug von innen. Der Arzt, der mit seiner Nase am
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