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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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Glas klebte und ständig mit dem Handrücken übers Fenster wischte, fuhr praktisch blind. In regelmäßigen Abständen blockierten entwurzelte Bäume oder Felsen die Fahrrinne, denen Pauls teils umständlich auswich oder sie todesmutig mit dem Geländewagen aus der Bahn rammte. Von Straße oder Weg konnte hier nicht mehr gesprochen werden. Der Vierradantrieb des Landrovers wühlte sich durch zwei tiefe Gräben, die mit Schlamm gefüllt waren.
    Bei Einbruch der Nacht erreichten sie die Hilfsstation des Roten Kreuzes. Augenscheinlich die letzte Bastion von Zivilisation, vor der endgültigen Wildnis. Der Regen hatte letztlich ein Einsehen und war vor einer halben Stunde abrupt abgebrochen. Jetzt dampfte die Erde und Nebelschwaden erhoben sich wie tanzende Seelen aus den feuchten Niederungen. Inmitten dieser Dunstschleier erhob sich unvermittelt ein dunkles Giebeldach, wie der Bug eines gekenterten Schiffes aus dem grünen Urwald. Langsam nahmen drei mit Wellblech bedeckte, schmucklose Betongebäude Konturen an, die hufeisenförmig auf einer Lichtung angeordnet waren. Der rechte Flügel stand parallel zum Fluss, auf dem sich das letzte Purpur der untergehenden Sonne spiegelte. Der linke Teil sah aus, als drohte er jeden Augenblick vom nahen Dschungel gefressen zu werden. Hinter dem zweistöckigen Mittelbau türmten sich die Berge, deren Gipfel im dichten Nebel lagen.
    „Ich muss mich wundern, dass unsere Station das Erdbeben unbeschadet überstanden hat“, murmelte der Arzt.
    „Gott hält wohl seine schützende Hand über Ihr Tun“, antwortete Meinhans pomadig. Es waren die ersten Worte, die er seit dem Aufbruch verlor. Der Doktor ignorierte den Spott und steuerte den Wagen in den morastigen Hof, zu dem von allen drei Gebäuden überdachte Veranden hinführten. Dort hatten sich bereits einige Neugierige versammelt. Der Motorenlärm des nahenden Geländewagens, der selbst das Gebrüll der Makaken und Nashornvögel übertönte, hatte sie aus den Häusern gelockt. Die Rückkehr des Arztes erweckte in den runden Mondgesichtern sichtliche Freude. Pauls stieg aus dem Wagen und stapfte, ungeachtet der knöcheltiefen Pfützen auf den Haupteingang zu, über dem weithin sichtbar ein rotes Kreuz prangte.
    Frank hielt es nicht mehr auf der Pritsche. Er war durchnässt und ihm war kalt, trotzdem fühlte er sich im Augenblick handlungsfähig. Seit er gehört hatte, dass Lea in der Station war, hatte sich sein Zustand gebessert, als hätte sein Körper eine neue Energiereserve entdeckt, die noch nicht verbraucht war. Auf wackligen Beinen eilte er hinter dem Doktor in das Gebäude.
    Drinnen herrschte eine gewisse Aufregung über das Erscheinen der unerwarteten Gäste. Es gab einen überschaubaren Empfangsbereich mit einer Sitzecke, von dem drei Gänge abzweigten. Nackte Glühbirnen hingen von der Decke. Den Strom lieferte ein Aggregat, das in einem Schuppen über dem Hof, laut vor sich hindröhnte. Kleine Asiatinnen in weißen Kitteln liefen wie emsige Ameisen über die Gänge, die mit aschgrauem, brüchigem Linoleum bedeckt waren. Es roch nach Essig und nach etwas, was Frank nicht deuten konnte. Dünne Sperrholztüren wurden auf und zugeschlagen. Dazwischen erschienen immer wieder Patienten mit dicken Mull- oder Pflasterverbänden an den Extremitäten.
    Pauls hielt eine der Schwestern an und fragte sie etwas auf Französisch. Die Laotin antwortete in ihrer Sprache und war im nächsten Moment wieder in einem Gang verschwunden. Der Arzt drehte sich zu ihm um und wippte mit den Schultern. „Sie ist weg.“
    „Was heißt das?“
    „Ihre Freundin hat sich heute Morgen in die Berge aufgemacht. Mit dem Kind, soweit ich das verstanden habe. Die Schwester konnte sie nicht davon abhalten“.
    Er taumelte zu einem der Stühle und setzte sich schwerfällig. Inzwischen hatten Meinhans und der Capitaine das Gebäude betreten und die letzten Worte des Doktors mitbekommen. Der Kommissar schüttelte ungläubig den Kopf. Pauls war inzwischen umringt von Patienten. Er widmete seinen Gästen einen letzten und
    vorwurfsvollen Maulwurfsblick durch seine Hornbrille und verschwand dann um die Ecke.
    „Wir sollten keine Zeit verlieren und hinterher“, schlug Frank vor.
    „So? Im Dschungel kommen wir ohne Ausrüstung nicht weit. Wir brauchen Regenponchos, Rucksäcke mit Verpflegung, Macheten, vielleicht auch Seile. Außerdem sind sie krank“, protestierte Xieng.
    „War mir klar, dass ich nicht mehr länger mit Ihrer Unterstützung rechnen kann.

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