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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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winkten ihnen zu. Fischer sahen kurz auf und widmeten sich dann wieder ihren Reusen. Die Sonne stand schon tief über den Wipfeln des Regenwaldes, als der schweigsame Steuermann nach gut fünf Stunden einen windschiefen Steg am rechten Flussufer ansteuerte.
    „Phong Doi“, sagte Xieng und deutete auf die paar Bambushütten. „Ab hier geht’s nur noch zu Fuß weiter.“
    Am Ufer hatten sich bereits viele Dorfbewohner versammelt, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Es bot sich ihnen dasselbe Bild, wie schon in den Ansiedlungen, die sie zuvor passiert hatten. Nacheinander kletterten sie aus dem Boot und wankten den aufgeweichten Steg entlang. Xiengs Erscheinen ließ vereinzelte Stimmen laut werden. Aus der Menge lösten sich drei Frauen und zwei Männer, die ihn freudig umarmten.
    „Die Rückkehr des verloren Sohnes“, kommentierte Meinhans die Situation. „Ich glaube nicht, dass er besonders oft heim kommt, bei der beschwerlichen Anreise.“
    Innerhalb von wenigen Minuten saßen alle gemütlich auf Reismatten in einer Hütte und aßen geröstetes Schweinefleisch. Die Stimmung unter den Gastgebern war ausgelassen und auch Xieng war plötzlich ein anderer. Hätte er nicht seine Uniform an, würde man niemals erahnen, dass er bei der Miliz war.
    Franks Appetit hielt sich in Grenzen. Aus Anstand zwang er sich etwas zu essen. Jetzt war er sicher, dass er krank werden würde. Die Anzeichen einer Grippe waren nicht mehr zu leugnen. Ich hab’ mich bei den verfluchten Hühnern angesteckt!
    Er wünschte sich ein paar Stunden Schlaf und hoffte, dass es ihm dann besser ging. Sobald es die Situation erlaubte, zog er sich auf seine ihm zugewiesene Matte zurück und rollte sich ein. Der Lärm über die Wiedersehensfreude, der aus dem Nebenzimmer in den Schlafbereich drang, hielt ihn nicht davon ab, in ein dunkles Loch zu fallen.
    Die Reiter der Apokalypse
    12. Juli 2003
    In der Nacht kam das Fieber. Mit dem Fieber kam der Wahn. In jeder einzelnen Zelle seines Körpers brannte das Feuer eines Hochofens. Die Hitze blähte seinen Körper wie einen prall gefüllten Ballon auf. Über seine Haut strömten Bäche von Schweiß und drohten ihn zu ertränken. Sein Verstand wurde vom Fieberwahn vergewaltigt und in die Unterwelt des Schreckens entführt. Immer tiefer zog es ihn in den lodernden Abgrund der Hölle, wo selbst die Luft brannte und beißender Schwefel seine Lungen füllte. Vor ihm tat sich eine Höhle auf, groß wie eine Kathedrale und mit nicht abzuschätzenden Dimensionen. Wände und Decke verschmolzen mit der Dunkelheit und verloren sich in der Unendlichkeit. Mächtige Stalagmiten, die säulengleich aus dem steinigen Boden wuchsen, schraubten sich auf bizarre Weise dem Gewölbe entgegen. Auf halbem Weg kamen ihnen abstrakt anmutende Stalaktiten entgegen, die im Schattenspiel des Höllenfeuers zuckten, als wären sie zum Leben erwacht. Gigantische Hauer aus Tonnen von Kalkstein, deren messerscharfe Spitzen bedrohlich über seinem Kopf hingen. Zu seinen Füßen lag ein Bassin, gefüllt mit brodelnder Lava, in dem unzählige lodernde Körper trieben. Gepeinigte Seelen versuchten mit panischen Bewegungen ans Ufer zu kriechen. Nackte Körper mit verbrannter Haut, schwarz wie Kohle, streckten ihm ihre mit Brandblasen überworfenen Arme entgegen. Das Fleisch hing in Fetzen von ihren versengten Gebeinen. Die heiße Luft flimmerte in der Höllenglut und verzerrte die Antlitze zu grässlichen Fratzen. Und doch erkannte er vertraute Gesichter unter den entstellten Gestalten. Meinhans, der noch Reste seines Mantels trug und dessen Kunststofffasern mit dem Fleisch des Polizisten verschmolzen waren. Xieng, dem die Hitze die Augäpfel aus dem Kopf gekocht hatte. Ilka, deren Brüste wie explodierte Gaskessel aufgeplatzt waren, als hätte man sie in die Mikrowelle gesteckt. Chin, die auf einem glühenden Spieß steckte, rektal durch den ganzen Körper gerammt, und dessen Spitze aus einem grotesk aufgerissenen Mund ragte. Nur kurz war er in der Lage, seinen fiebrigen Blick über die brennenden Wesen schweifen zu lassen. Obwohl er nicht fand, wonach er suchte, hielt er dem abstoßenden Anblick dieses unermesslichen Leidens nur wenige Sekunden stand. Angeekelt wollte er sich abwenden und stellte mit Entsetzen fest, dass es ihm nicht gelang. Er war nicht einmal in der Lage, seine Augenlider zu schließen. Der beißende Qualm rings um ihn herum, brannte wie Säure und trieb ihm Tränen in die Augen, aber er konnte nicht wegsehen, war dazu

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