Die Steinernen Drachen (German Edition)
Gesichter. Plötzlich einsetzendes, unregelmäßiges Fieber mit Schüttelfrost und Schweißausbrüchen, Kopf-, Gelenk- und Kreuzschmerzen, Milz- und Leberschwellung, Blutgerinnungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle bis zum Koma, Lungenentzündung, Nierenversagen. - Wollen Sie noch mehr hören? Ihr Freund liegt gerade im Anfangsstadium. Ich kann nicht sagen, was noch kommt.“
„Gibt es Medikamente?“
„Mir stehen nur bescheidene Mittel zur Verfügung.“
Meinhans stieß einen pfeifenden Seufzer aus. Der Ausdruck von Resignation aus dem Verhörraum in Vientiane, war in seine Augen zurückgekehrt.
„Der Mann muss in ein Krankenhaus“, sagte die Hornbrille unmissverständlich.
„Nein!“, presste er hervor und alle Blicke richteten sich auf ihn.
Der Arzt ignorierte den Wunsch des Patienten. Er zog eine Spritze auf und drückte sie in seine Armbeuge. Dann wandte er sich wieder dem Kommissar zu. „Ich rate Ihnen dringend dazu. Mit Malaria ist nicht zu spaßen. Selbst bei medikamentöser Therapie sterben noch zehn Prozent aller Infizierten. Überreden Sie Ihren Freund, schnell! Je eher er in stationäre Behandlung kommt, desto besser. Ich sehe jetzt wieder nach den Verletzten und schau später noch mal rein.“ Damit verschwand der Mann mit seinem Arztkoffer.
Frank sah der dürren Gestalt hinterher.
„Doktor Pauls kommt aus einer Hilfsstation des Roten Kreuzes, die nur einige Kilometer weiter nördlich liegt. Man hat ihn wegen der Erdbebenopfer gerufen. Nur falls Sie sich fragen, wo wir so schnell einen deutschen Arzt her hatten.“
„Erdbeben?“, flüsterte er.
„Heute Nacht. Aber in Ihrem Fieberwahn haben Sie das wohl nicht mitbekommen.“
Frank erwiderte nichts darauf, weil er selbst nicht wusste,
wie weit in der Nacht Traum und Realität auseinander gelegen haben.
„Die Verwüstung durch die Erdstöße hält sich in Grenzen. Es gab Verletzte aber Gott sei Dank keine Toten. Ein paar dieser Pappschachteln hier sind eingeknickt und in sich zusammengefallen. Eine beängstigende Erfahrung so ein Beben ...“ Meinhans hielt inne, vergaß zu sprechen und schien die Ereignisse im Geist zu rekapitulieren. Vielleicht dankte er seinem Schöpfer, dass er überlebt hatte.
„Wo ist der Capitaine?“
„Ah, ja! Der hilft draußen den Dorfleuten.“
„Ich muss in die Berge ...“ Seine Stimme erstarb. Der Kommissar reichte ihm einen Krug mit Wasser. Er trank ein paar Schluck, um seine Zunge zu lösen und die Mundhöhle zu befeuchten.
„Sie durften doch heute Nacht selbst miterleben, was passiert, wenn wir die Drachen nicht wieder besänftigen.“
„Sie haben Fieber und sollten sich noch etwas ausruhen. Ich werde inzwischen mit Xieng sprechen.“
„Ich bin nicht verrückt, Meinhans“, rief er ihm nach, doch der Kommissar war bereits aus der Tür. Schwer atmend sank er auf die Matte zurück. Das Fieber hatte seinen ohnehin schon lädierten Körper zusätzlich geschwächt. Er versuchte zu verstehen, was geschehen war. Malaria! Die Diagnose wiederholte sich wie ein Echo in seinem Kopf. Die Worte des Arztes waren wie der Urteilsspruch eines Richters, der ihn zu Lebenslänglich verdonnerte. Seinem Ziel so nahe, schien sein Unterfangen nun doch zu scheitern. Der Traum hatte ihn betrunken gemacht, das Erdbeben hatte ihm seine Helfer genommen und das Fieber verwirrte seine Sinne. Und jetzt nahm ihm die Diagnose des Doktors die letzte Hoffnung. Die vier Reiter der Apokalypse waren in dieser Nacht über ihn gekommen!
Von draußen drangen aufgeregte Stimmen herein. Menschen rafften ihr Hab und Gut zusammen und versuchten in Sicherheit zu bringen, was noch zu retten war. Die Sonne schob sich langsam über die Bergrücken und kämpfte aufs Neue gegen eine Armada von dunklen, schweren Regenwolken. Frank spürte einen weiteren Fieberschub in sich gären und driftete erneut ab in die Benommenheit.
Beim nächsten Erwachen glaubte er zuerst an ein Déjàvu. Er schlug die Augen auf und starrte wieder in die dicken Gläser der Hornbrille. Als sein Blick am linken Ohr des Arztes vorbeistreifte, erkannte er Xieng, der in seiner gewohnten Haltung an der Wand lehnte. Der Doktor zählte seinen Puls und erhob sich danach schwerfällig. Mittlerweile war sein graugrüner Overall verdreckt, unter den Achseln und am Rücken durchgeschwitzt und wies an manchen Stellen Blutflecken auf. Er sagte etwas zu dem Capitaine, dass er nicht hören konnte. So etwas in der Art wie: Sie haben fünf Minuten.
Der Laote
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